In einem leuchtend schoenen Land
Existenzminimum deckte – meine Fantasie würde in all den Jahren nie weit genug reichen, um zu verstehen, wie ein Land, das soviel natürlich gewachsenen Reichtum in die Wiege gelegt bekommen hatte, so arm sein konnte. In diesem leuchtend schönen Land, in welchem aus Samen ohne Umstände Pflanzen wurden, im Süden und Westen dichter Dschungel die Ebenen begrünte, die Berge als Wetterscheide den Norden und Osten klimatisch trennte, hatte ein dreißigjähriger Bürgerkrieg bis ins Jahr 2008 zwischen den Singhalesen und den Tamilen diese Grenze politisch nachgezogen. Der Krieg verschwendete nicht nur die Einkünfte aus Ressourcen für Waffen, sondern legte ganze Reisfelder brach, weil die Arbeiter vor dem Krieg geflohen waren und war mit verantwortlich dafür, was wiederum die Preise für Grundnahrungsmittel in astronomische Höhen schnellen ließ.
Ich grübelte darüber nach, warum ein Land, das schon vor hunderten von Jahren Bewässerungssysteme und Stauseen entwickelt gebaut hat, die noch heute zeitgemäß bewässern; ein Land, in welchem Kultur nicht nur ein Schlagwort, sondern tief verwurzelt ist, warum dieses Land nicht aus der Armutsfalle herauskam. Ein Land, das mit seiner Vegetation zur „Ersten“, auf keinen Fall „Dritten“ Welt gehören sollte, uns mit seiner Philosophie vorbildlich sein könnte und ein Land, das mit Ayurveda unserer westlichen Medizin durchaus das Wasser reichen kann. Ein wunderschönes Land, dem ich in meinem Alltag häufig begegnete.
3. Lassenei – Ein wunderschönes Land
So kam es, dass mich noch vor dem Alltag die kulturelle Differenz kalt erwischt hatte. Das sollte sich jetzt ändern und ich plante, mir den Alltag wenn nötig gewaltsam zuzuführen. Einen feucht-schwülen Alltag, in den ich eigentlich bereits vor sieben Wochen eingestiegen war, als ich mit drei Kindern am Rockzipfel linkisch aus dem Flugzeugbauch in die gemächliche Schrittfolge des Sri-Lankers eingefallen war, einige auf der Überholspur Zurückgelassene sich ausgedehnt über meine Fortbewegungsart wunderten. Jene waren von der Bazille Gemütlichkeit befallen, an der auch ich demnächst erkranken würde; meine Forschheit erlahmte in der Hitze und aus tüchtiger Bewegung wurde nach und nach lässige Bewegungslosigkeit. Meine Suche nach Alltag blieb ebenfalls bewegungslos und enttäuscht stellte ich fest, dass an jedem potentiellen, verlässlichen Trott Ausnahmezustände hafteten, dass Tägliches auf diese Weise nie die Ausmaße des Alltäglich annehmen würde. Kaum glaubte ich, etwas Regelmäßiges entdeckt zu haben, da kam mir auch schon ausgelassen die Ausnahme entgegen gehüpft und warf Verlässliches über den Haufen. War ich obenauf noch in Eile, stand mein Nervenkostüm unter bemerkenswerten Strapazen, denn weder war die Insel auf Alltägliches, noch auf Eiliges eingerichtet und trieb mir beides in stoischer Wiederholung aus. So glaubte ich anfangs noch, dass sich ein Einkauf ganz nebenbei erledigen ließe und brachte äußerst unangebracht Eile an.
Aber nebenbei und in Eile, so belehrte mich Inseltypisches, erledigte man hier gar nichts und scheute keinen Aufwand, um mir das zu demonstrieren. So gingen zum Beispiel erschreckend regelmäßig meiner einzig verfügbaren Geldquelle, dem Geldautomaten, kurzzeitig die Noten aus. Da wir uns noch nicht an den bürokratischen Prozess einer Kontovollmacht für mich herangewagt hatten, nützten mir auch die offenen Bankschalter nichts und ich kam völlig erledigt und unverrichteter Dinge nach Hause. War der Bankschalter offen, so quoll garantiert eine Hochzeit oder Beerdigung in die Straßen oder ein Polizist regelte den Verkehrsfluss zum Stau; quälte ich mich durch Straßen, die aussahen, als habe die Fußgängerzone am Münchner Marienplatz ihre Schleusen geöffnet, die nun alle in meine Fahrt strömten. Nach und nach gewöhnte ich mir an, immer ein paar Rupien unter das Kopfkissen zu legen, ein Einkaufen als Tageswerk zu betrachten und brachte für jeden Handstreich alle-Zeit-der-Welt mit, was Nerven schonte.
Alle Zeit der Welt nahm ich auch auf den Gemüse-und Früchtemarkt mit, wo der Einkauf ein wiederholt sinnliches Erlebnis wurde und die eingebrachte Zeit gut angelegt war. Und das, obgleich unser Dorf Negombo seinen Markt nicht im Freien, sondern in einer riesigen Halle untergebracht hatte und ihm dadurch der freiluftige Marktcharme abging. Hatte der Besucher die Halle aber erst einmal betreten, vergaß er den fehlenden Charme und schlenderte wie
Weitere Kostenlose Bücher