In einem leuchtend schoenen Land
zirkelte mich auf meinem Surfbrett geschwind über die Brecher und an den Badenden und Neugierigen vorbei. Mit dem Schirm verhakt surfte ich in den Horizont hinein, wo mir kein angetrunkener Gegenverkehr in die Quere kommen konnte, jubelte still vor mich hin. Nach einer Stunde legte ich beglückt meinen Schirm wieder auf Sand ab und ging in den Hotelgarten, der mich vor möglicher, alkoholisierter Zudringlichkeit abschirmte. Dort gab ich mich gesellig und schlenderte schließlich mit meiner Freundin Heike ans Wasser, schaute von dort in die Weite und auf die unermüdlich übers Meer fliegenden und springenden Wassersportler. Die Promille, die das aus nächster Nähe an uns gehauchte: „Hello!“ enthielt, hätten mich fast umgeworfen und die dazugehörigen Männer wären Heike und mir gerne auch hautnah gekommen. Kommentarlos zogen wir uns hinter die kniehohe Mauer im Hotelgarten zurück und plauderten über Alltagskram der vergangenen Woche, überhörten aus Fleiß die anzüglichen Zugrufe der Alkoholisierten. Als jene abzogen, näherten wir uns wieder dem Strand, deponierten unsere Beine auf dem Hotelmäuerchen, den Hintern im Plastikstuhl und entspannten uns gerade herrlich, als ich aus den Augenwinkeln meinen abgelegten Kiteschirm in die Luft gehen sah. Als ich begriff, wer ihm den Höhenflug bescherte, ging auch ich in die Luft und schoss im Hindernislauf über die Mauer und einen im Sand ausgelegten Körper, blieb keuchend vor dem grinsenden Trinker stehen.
Der freute sich, endlich meine Aufmerksamkeit errungen zu haben und lachte ein breites: „Hello!“.
Daraufhin setzte sich mein Mundwerk in Bewegung, sprach dies und das, wobei weder das Dies noch das Das auch nur im Ansatz diplomatisch war, und machte den Ausbrüchen meines Ältesten ernstzunehmende Konkurrenz. Heike hatte sich unterdessen dem Mann am oberen Ende des Kites angenommen, der schwankend am Kite herumfummelte, ihn in die Luft warf, während sein Freund am Ende der Leinen mit nicht vorhandenem Feingefühl jenen aufsteigen lassen wollte. Mit einem einzigen Windstoß in den nicht fachgerecht gehandhabten Schirm, konnte jener Geschwindigkeiten entfalten, die den Leinendirigenten mit ungewollter Flugerfahrung versehen hätte, der in jedem Fall ein harter Aufschlag gefolgt wäre. Ich sprach aus Erfahrung und wusste, dass die Leinen mit aufgebauter Geschwindigkeit zu Messern mutieren konnten, die im Extremfall im Weg Stehenden tödlich werden könnten.
Das hätte ich ihm so oder ähnlich mitteilen können.
Tat ich aber nicht.
Hatte die Gelassenheit heute nicht gepachtet und schrie aufgebracht: „Was treibst du da? Der Schirm gehört mir und du hättest mindestens fragen können!“ und unterstrich meine Empörung, indem ich mit einem Griff die Kiteleinen an mich riss und ihnen die gefährliche Spannung nahm. Für meine Aufgebrachtheit hatte er nur ein hämisches Lächeln übrig und lallte: „Warum?“, hatte offensichtlich kein Wort davon verstanden, was ich soeben in Englisch an ihn abgefeuert hatte. Sein Pendant am Schirm war unterdessen handgreiflich geworden und ich sah, wie Heike aufgebracht ihr Handgelenk aus seiner Umklammerung wand.
„Weil du mich nicht gefragt hast, darum!“, tobte ich, war so würdelos in meinem Zorn und erntete dafür ein versoffenes Grinsen. Die Beherrschung in einem Land zu verlieren, in dem der Frieden das angespannte Resultat eines ausgehandelten Waffenstillstandsvertrags zwischen den politisch uneinigen Tamilen und Singhalesen war, war keine gute Idee. Zwischen Lachen und Hassen lag keine Pufferzone, die ausreichend Raum zum Rückzug bot, bevor aus Spaß Ernst wurde. Und da trampelte ich auf ihrem Stolz herum; ich, die ich bereits von Haus aus doppelt mit Vorurteilen belastet war, weil Weiß und somit eine ehemalige, unterdrückerische Kolonialherrin und eine Frau, die in diesem Patriarchat weniger Rechte hatte als der Herr der Schöpfung.
Somit war mein Toben nicht eine schlechte, sondern eine sehr schlechte Idee.
Ich bestätigte soeben wunderbar das Vorurteil, welches der Sri-Lanker von uns Europäern hatte. Weil meine Wut dementsprechend niemanden großartig beeindruckte, galoppierte jene zügellos davon und platzierte verbale Ohrfeigen in einem Gesicht, dessen Träger jeden Gesichtsverlust als Demütigung empfand.
„Das ist mein Land“, begehrte mein Gegenüber mit schwerem Zungenschlag auf. „Und das“, er deutete auf meinen Kite, „liegt auf meinem Land. Also gehört es mir!“
Dazu fiel mir
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