In einem leuchtend schoenen Land
geheiratet hatte und deshalb ins soziale Abseits geraten war; hörte mir soziale Umstände an, denen mein kulturelles Verständnis nicht gewachsen war.
„Die Singhalesen“, so erzählte mir die Frau des Hotelbesitzers, Anita, und reduzierte ihr Gespräch mit dem besoffenen Schläger auf einen Satz, „erwarten von mir bedingungslosen Beistand, egal was.“
Bedingungslos, egal was Recht und was Ordnung war.
„Dass ich die Partei von euch beziehungsweise meines Mannes ergriffen habe, nahm er mir schrecklich übel.“ Der letzte Satz war nur noch ein Flüstern. Betreten sah ich sie an und bedauerte aufrichtig, was ich ihr mit meinem losen Mundwerk angetan hatte. Erste Schuldgefühle darüber beschlichen mich. Nichts von alledem wäre passiert, wenn ich meinen Ärger gezügelt hätte, nach Vorbild der Bevölkerung gelächelt statt so unmiss-verständlich Anschuldigungen ausgesprochen hätte.
Eigentlich war Anita schon damit gestraft genug, dass sie einen Europäer geheiratet hatte. Die Gesetze Sri Lankas bestraften sie, indem sie für ihre beiden Kinder keinen sri-lankischen Pass bekam, jedes Jahr neu für die beiden ein Visum beantragen musste, genau wie für den deutschen Gatten. Im Volk wiederum wurde sie hinter vorgehaltener Hand als Verräterin und nicht selten als Prostituierte gehandelt, weil sie den Weißen einem Sri-Lanker vorgezogen hatte.
Der Hass auf das, was die Kolonialherrschaft mit dem Selbstbewusstsein der Sri-Lanker angerichtet hatte, schwang unterschwellig noch immer in den Menschen mit.
Und heute musste Anita noch die Folgen meiner arroganten Wut schultern.
Ich sah mich um und beobachtete ein gemischtes Pärchen Hand in Hand über den Strand schlendern, er Weiß, unförmig und rotgesichtig, sie Sri-Lankerin, geschmeidig, aufrecht und wunderschön. Jährlich trafen auf der Insel Europäer und Amerikaner zur Brautschau ein, wollten sich eine Ehefrau einkaufen oder auch nur ihren Spaß haben: Spaß mit einer Sri-Lankerin, die im Bett getestet und entehrt wurde. Eine entjungferte Braut war kaum mehr vermittelbar und hatte an diese eine Nacht unter Umständen ein Leben verloren. Kein Wunder also, dass die Eltern ihre Mädchen vor sexuellen Zugriffen wegsperrten, was wiederum bewirkte, dass viele Männer aufgrund des Mangels an Gelegenheiten sexuell unausgelastet waren. Derart unausgelastet kam es regelmäßig vor, dass einige mit der weißen Frau verhalten lüstern Kontakt aufnehmen wollten.
Ein Um- oder Zustand, den ich während meines Aufenthalts mehr ertragen als vertragen hatte.
Den Missmut darüber hatte ich dann am erstbesten Betrunkenen ausgelassen und war für eine Auseinandersetzung verantwortlich, die leicht hätte blutig werden können.
Nachdenklich betrachtete ich, wie die Sonne ihre letzten Sonnenstrahlen ins Meer tauchte und wurde von den Kindern aus meinen schuldbeladenen Gedanken gerissen: „Wir wollen jetzt heim!“ Umständlich klaubte ich Rupien aus meinem Portemonnaie, legte einen Haufen Trinkgeld neben meine Kaffeetasse und verabschiedete mich. Wenige Minuten später parkte ich vor dem Polizeigebäude ein, wo ich Andreas abholen sollte, der immer noch mit der bürokratischen Anzeige beschäftigt war. Das Fenster herunterkurbelnd sah ich mich nach ihm um, zog die Aufmerksamkeit einiger herumstreunenden Sri-Lanker auf mich, die sich uns unvermittelt näherten.
„Mama!“ riefen die Kinder jäh. „Mach das Fenster zu! Schnell!“
Ihre Angst erschütterte mich und während ich die Tür verriegelte und das Fenster auf Anschlag drehte, überlegte ich, wie eine Mutter mit dieser Art Panik umgehen musste, hatte spontan nichts Beruhigendes vorrätig.
„Wisst ihr“, suchte ich fieberhaft nach Beruhigendem, „eigentlich hätten wir das alles vermeiden können.“ Ich holte weit aus und führte ihnen mein geschliffenes Mundwerk vor, das das Dilemma ausgelöst hatte und schlagkräftig wie eine Faust zugeschlagen hatte. Je länger ich redete, desto mehr war ich von meiner Schuld überzeugt und je milder fiel mein Urteil gegen die Schläger aus.
Es schien aber nicht nur mir so zu ergehen, sondern uns allen. Als die Schläger Tage danach von der Polizei gefasst und uns vorgeführt wurden, ließen wir die Anklage nach reiflicher Überlegung fallen. Wir rangen ihnen lediglich das Versprechen ab, sich in kommenden Begegnungen manierlich zu benehmen und innerlich schwor ich, mich den Menschen gegenüber fortan ebenso manierlich zu verhalten. Sollte ich einmal wieder meine Nerven bei
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