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In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minouche Moser
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ich mein Plädoyer für das Gute im Insulaner und wandte mich vertrauensvoll meinem Buch zu.
    Dabei war ich schon länger Mutter, kannte meine Kinder und wusste genau, wann Alarmglocken und wann Gelassenheit angebracht war. Eine Aussage wie: „Die lassen uns nicht in Ruhe!“ schrie geradezu nach den mütterlichen Alarmglocken, denn das gestörte Ruhebedürfnis meines Sohnes Fabian hatte schon so manchen Wutanfall heraufbeschworen, den er selten fauststark, umso häufiger und gekonnter verbal und in eindeutigen Gesten austrug.
    Zu dem was folgte, hatte Fabian sicherlich seinen Teil beigetragen. Schuldmindernd kam außerdem der Alkohol hinzu, den die Jugendlichen bereits konsumiert hatten. Ob aber nun der Alkohol oder die undiplomatische Ader des Sohnes für den Streit verantwortlich war, ist für eine Mutter im Moment der Auseinandersetzung nicht relevant, wenn sie die Sicherheit des Nachwuchses gefährdet sieht.
    Unterdessen war ich dem Mörder auf die Schliche gekommen, klappte das Buch zu und reckte mich, als unser jüngster Sohn aufgeregt mit den Armen schwenkend auf uns zugestürmt kam.
    „Fabian!“, keuchte er, „die tauchen den Fabian immer wieder unter Wasser und der weint jetzt ganz feste!“
    „Wer?“, fragte ich mich dämlich, klammerte mich noch immer an das Bild des Friedlichen und starrte die paar Meter Strand abwärts zu den Kindern. Andreas war reaktionsschnell aufgesprungen und davon gestoben. Dort unten, so erzählte er mir später, umkreisten fünf Sri-Lanker Fabian wie Haie. Einer hielt sich an seinen Füßen fest und die anderen tauchten ihn unter. Dafür, dass der Spaß längst keiner mehr war, zeugten die Tränen, die Fabian vergoss. Die Tatsache, dass fünf gegen einen eine feige Übermacht darstellte und dass sechzehn selbstbewusste Jahre gegen zehn verängstigte kein fairer Zweikampf war, setzten der elterlichen Empörung noch eins obenauf. Vier der fünf machten sich aus dem Staub, als Andreas' Wut am Horizont auftauchte. Ein einziger, mutiger oder mit Prozenten dickhäutig betrunkener Junge grinste meinen Mann an und meinte lässig: „Sorry, sorry!“
    Dann nahm auch er die Beine unter die Arme und tauchte im Gewimmel ab.
    Das Boogie Board liehen wir ihnen nicht mehr, obwohl sie am folgenden Tag artig darum baten.
    Da waren wir nachtragend und fortan hielten wir im Umgang mit den Inselbewohnern mehr Distanz, forschten vor einer Annäherung primär nach ihrem Alkoholgehalt.
    Die Monate verstrichen und der Vorfall ging in den freundlichen Alltagsbegegnungen unter, rutschte aus der Erinnerung ins Unrealistische und kam erst wieder zum Vorschein, als wir uns an einem Feiertag ins Gewimmel wagten. An Wochenenden und Feiertagen kamen reichlich Trinkwillige zusammen, die Hochprozentiges schluckten wie Wasser, sich damit nicht selten die Armut und die Frustration aus dem Gedächtnis spülten. Aber Alkohol brachte nicht nur Vergessen, sondern stimmte den einen oder anderen auch aggressiv. Dabei waren die Sri-Lanker im Grunde ein durchaus friedliebendes Volk, das gerne in geballter Verwandtschaft auftrat. Besonders der von den Europäern aufgeschüttete Strand hatte es ihnen angetan und obwohl nur wenige von ihnen schwimmen konnten, zog sie das Wellenbad an, welches wie im Alpamare dazu einlud, darin herumzutoben. Wagten sich die Kinder zu tief in die sich überschlagende Brandung, wurden sie von einem Erwachsenen herausgezogen – und da auch Erwachsene nur selten schwimmen konnten, ertranken fast wöchentlich Menschen im Sog der Strömung. Der Tragödie trotzend war der nasse Strandtag ein erschwingliches Ausflugsziel, der – alkoholfrei genossen – eine wiederholt gesellige Angelegenheit werden konnte.
    Ein Ausflugsziel, an das wir auch heute unsere Familienumtriebigkeit trugen und unser Lager in einem Hotel mit Meeranbindung aufschlugen. Die Luft war vom Kokosnussfett geschwängert, welche rasch aufgestellte Imbissbuden in kleinen Wölkchen aufsteigen ließen. Männer badeten in Unterhosen und Frauen kreischten in ihren Saris in der Brandungswelle; es formierten sich Kricketspieler zum Punktespiel und Liebespaare schlüpften unter Palmblätter, holten mit dem jeweiligen Verlobten die versäumten Küsse ihrer Junggesellenjahre nach. Flaschen mit gebrannter Kokosnuss, dem Schnaps namens Arak, wurde in kleinen, aufgepeitschten Grüppchen von Lippe zu Lippe gereicht, und in diesem Gewühl breiteten sich unsere Kiteschirme wie exotische Flecken aus. Eilig baute ich mein Sportgerät auf und

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