In einem leuchtend schoenen Land
bin mit ihr über eine Stunde zwischen den Notfällen herumgestanden. In der Wartezeit hatte ich mir eine kleine Sightseeing Tour gegönnt und mich durch die überfüllten Gänge geschlängelt. Die Zimmer waren rege besucht: Es tummelten sich Kranke und Gesunde. Die Kranken bejammerten ihre Krankheit und die Gesunden standen auf dem grauen Betonboden herum oder ließen sich am Pritschenrand nieder, von wo aus sie kunterbunt durcheinander redeten.
Ich kam mir vor wie auf dem Jahrmarkt!
Eher wie im Restaurant, belehrte mich ein Arzt, mit dem ich ins Erzählen geraten war. Die Besucher sorgten für die Verpflegung der Kranken und gehörten selbstredend vorwiegend zur Verwandtschaft. Hatte man gerade keine zur Hand, musste man Hunger leiden oder schnorren. Schließlich ist ein Staatskrankenhaus kein Hotel, sondern kümmert sich um die Gesundheit der Kranken. Und das unentgeltlich!
Damals empfand ich eine demütige Dankbarkeit, dass ich nicht auf staatliche, sri-lankische Krankenhäuser angewiesen war, und Mitgefühl für all jene, die sich keine private Versorgung leisten konnten.
Heute, ganz Ohrenschmerz, erwog ich kurz die staatliche Version, verwarf sie augenblicklich wieder und verfluchte (gar nicht mehr so demütig dankbar) meine ländliche Wohnidylle. Colombo, seufzte ich verwöhnt, war auf liquide Ausländer und reiche Srilanker zugeschnitten. Dort gab es Herrliches wie Krankenwagen, die Tatü-Tata meine Ohren behandeln könnten, mich zur Not mit jenem Tatü in ein Krankenhaus bringen würden, wo eine ordentliche Metallpritsche mich beherbergte und der tägliche Kalorienbedarf gedeckt wäre.
Vielleicht könnte mir ja meine landeskundige Freundin Sabine behilflich sein, erinnerte ich mich und telefonierte dorthin. Sabine allerdings musste auch passen, denn sie erledigte ihre Notfälle über die arztstudierte Schwägerin, den Rest in Colombo und im Deutschlandurlaub.
Über Umwege kam ich dann doch noch an eine Telefonnummer mit Hausbesuchen, schlug zitternd die Zahlenkombination in die Tastatur und – „Ihr Anschluss ist vorübergehend außer Betrieb. Bitte setzen Sie sich mit ihrer nächsten Telekomstelle in Verbindung!“ Wie war es möglich, grollte ich, dass ich bis eben zuverlässig verbunden worden war und jetzt plötzlich von der Außenwelt abgeschnitten wurde? In einem letzten, verzagten Akt morste ich ein Hausbesuch-SOS über die Handytastatur und wurde erst auf singhalesisch, dann in tamil und schließlich in englisch darüber in Kenntnis gesetzt, dass diese Nummer niemandem gehörte.
An dieser Stelle wäre ich gerne abgehauen, hätte mein Projekt auf Morgen und daraufhin auf das nächste Morgen verlegt!
Wie mit Nadeln bohrte mir das bakteriell verseuchte Ohr ins Hirn und ließ mich wissen, dass Aufgeben keine Option war. Erschöpft versank ich in einem Polster, legte dort mein Ohr warm, welches sich am Telefonhörer und im Leben durch und durch nutzlos bewiesen hatte. Wie ein rettender Engel eilte Jasinta weit vor ihrer Zeit durch unsere Haustür und fand mich aufgelöst auf dem Sofa liegen, wo ich meine schmerzvolle Müdigkeit in ein Taschentuch goss. Die Kinder standen verwirrt um die heulende Mutter herum, die unermüdlich und unglaubwürdig beteuerte, es sei alles in Ordnung. Das Hausmädchen machte auf dem Absatz kehrt und trommelte tatkräftig unseren nachtaktiven Schwerenöter Nick aus seinem Schlaf. Mit dem verschlafenen Nachbarn kehrte sie zurück, der kopfschüttelnd vor mir stehen blieb.
„Das kriegen wir schon hin!“, beteuerte er gähnend, telefonierte (mit seinem Handy, vielleicht lag ja ein Fluch auf meinen Telefonen?) Ayurveda an und verlegte mich vom Sofa in seinen Jeep.
„Kusum wartet schon!“, sagte er und legte mich auf dem Beifahrersitz ab, dessen Leder bereits von zahlreichen Damenhintern speckig gesessen war.
Nick hatte schon mehrfach die berufsbedingte Abwesenheit meines Mannes ersetzt und Notfälle psychischer und physischer Art verarztet. Meistens handelte es sich dabei um ein verunglücktes Kind, welches gemeinsam mit einem morschen Ast zu Boden gegangen war, beim Handball auf polierten Fliesen das Hirn erschüttert hatte oder nach meinem Vorbild den Ohrenschmerzen erlegen war.
Meinen Notfall hupend raste Nick bis an Negombos Strand, schlängelte sich über staubige Nebenstraßen und hielt schließlich vor einem dreistöckigen Gebäude an, welches auf mich hinab stierte und der Ort meiner Rettung werden sollte. Nick schob mich in einen mauerumrankten
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