In einem leuchtend schoenen Land
Kräutergarten, setzte mich zwischen Rhododendron und Palmenblätter in einen Korbsessel und verschwand. Fünf Minuten lang tat ich mir dort entsetzlich leid und hörte meinem Verstand zu, der sich zweifelnd gegen Kräuter und Massagen wehrte, mit der eine ayurvedische Behandlung gegen Krankheiten vorging. Dieses schwelende Misstrauen gegen Kräuterhexen löste sich fast zeitgleich mit dem Duft von Ayurveda auf, der mit einem windschiefen Lächeln auf mich zuschwebte.
Ihr Name war Kusum. Meine Eltern und auch Nick hatte ich in der Vergangenheit erfolgreich bei ihr untergebracht, bislang selbst noch keinen Bedarf für ihre ayurvedischen Kunststücke gehabt.
Aufmerksam röntgen zwei Kulleraugen mein aufgewühltes Innenleben, daraufhin lehnte Kusum ihre pummelige Gestalt über mich und mit der Nähe ging die Zuversicht auf mich über, dass meine Schmerzen bald vorüber waren.
Wieder erinnerte ich mich, warum ich mich auf der Insel in den Zeiten zwischen den landesbedingten Strapazen so geborgen fühlte.
„Das tut weh, nicht wahr?“, stellte Kusum mitfühlend fest und ich brachte nur ein erschöpftes Kopfnicken zuwege, schmiegte mich in ihre Fürsorge und vertraute mich blind ihren Fähigkeiten an. Kritiklos trank ich den Tee, den sie mir in einer verschnörkelten Tasse servierte, und schluckte artig zwei braune, ayurvedische Kugeln. Aus dem Kräutergarten wurde ich in ein Palmen umwobenes Häuschen geführt und dort auf einem Massagetisch aus Mahagosaholz ausgelegt. Von Kopf bis Fuß knetete sie mich ölig, strich über verstopfte Nebenhöhlen und den angeschlagenen Gehörapparat, hatte nach einer Stunde und dreißig Minuten aus mir eine ayurvedisch duftende Genesende massiert, die abhanden gekommenen Lebensgeister zurückgebracht.
„Aber“, ermahnte sie, meine Ärztescheu durchschauend, „wenn die Schmerzen in zwei Stunden noch nicht ganz weg sind, suchst du einen Arzt auf.“
Das versprach ich ihr und diesmal hupte Nick nicht meinen Notfall, sondern seinen dringenden Nachholbedarf in Sachen Schlaf durch das belebte Straßenleben.
Wie Hühner auf der Stange hingen meine drei Kinder am Gartentor. Misstrauisch beäugten sie die verwehte Gestalt, die aus dem Ledersitz schwebte und froh ihre Dreisamkeit in die Arme schloss.
„Alles bestens!“, jauchzte ich und erlöste sie aus ihrer unnatürlichen Bewegungslosigkeit. Mit dem Fußball und den Fahrrädern tobten sie ihre Erleichterung ab, überprüften alle paar Minuten meinen Ist-Zustand, befanden mich unverändert heilend und brachen wieder in Lärm aus.
Mein Ohrenweh verflüchtigte sich trotz der Kräuterkur nicht vollständig und ein paar Stunden später saß ich mit der Dorfgemeinschaft in einem Betonhäuschen, hatte mir einen lila Schnörkel stuhl erobert und sah mich interessiert um. Ich verlor bei dem Menschenauflauf den Überblick, wann ich an der Reihe war.
Das Anstehen löste der Sri-Lanker mit unbeirrbarem Drängeln und dennoch ohne jegliche Aggression. Fast systematisch schob sich der Neuankömmling vor Wartende, während weder die Überholenden, noch die Überholten auch nur mit der Wimper zuckten. Daraufhin fädelte sich ein anderer vor dem Drängelnden ein und jener wiederum wurde von den soeben Weggeschobenen verdrängt. Die Technik erinnerte mich an ein Spiel, welches wir als Kinder mit Enthusiasmus gespielt hatten: Dazu benötigte man Hände, am besten drei Rechte und drei Linke. Eine rechte Hand legte sich auf die Tischplatte, eine andere Rechte und noch eine tat es jener gleich. Wenn die rechten Hände ausgegangen waren, folgte die Linke auf den Berg, dann eine andere Linke und schließlich wurde die letzte, verfügbare Linke nachgelegt und bildete gleichzeitig den Gipfel. Nun musste die damit entstandene Struktur über den Haufen geworfen werden, indem die unterste Rechte sich aus der Affäre zog und den Gipfel erklomm, die nächste nachschob und so weiter. Es endete immer in einem heillosen Durcheinander und doch war jeder irgendwann zum Zuge gekommen.
Das nannte man Chaosmanagement!
An Chaos fehlte es mir nicht, dafür an Drängelbegabung.
Statt meine Ellenbogen zu spitzen, merkte ich mir das Gesicht, welches jetzt eintrat und stellte mich in seinen Windschatten. Mit meinem T-Shirt hautnah an ihrem bestickten Sari arbeitete ich mich bis zum Türstock vor, über dem sich ein Vorhang blähte und mir die Wehleiden aus dem Sprechzimmer zufächerte. Schließlich hatte auch meine Vorhut ihre Zeit beim Doktor abgesessen und ich rüstete
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