In einem leuchtend schoenen Land
mich zur Behandlung – knapp daneben! Eine Dame hinkte energisch an den Wartenden und mir vorbei, erreichte noch bevor ich einen Schritt tat den Weißkittel. Wie auf Kommando brach sie dort in Tränen aus und machte aus einem leichten Hinken ein unbrauchbares Bein, welches sie theatralisch hinter sich herschleifte.
Meine Ausdauer in Sachen Warten war somit erschöpft!
So aufdringlich wie ich nur konnte breitete ich mich im Türrahmen aus und stürmte gerade noch rechtzeitig vor einer Mutter mit Kind den Schreibtisch. Siegessicher versank ich in einem Kinderstuhl und schaute über den dick lackierten Schreibtisch zum Doktor auf, der seinerseits soeben in einer Schublade abgetaucht war. Dort wühlte er nach Papier, klaubte seinen einzigen Stift von der Schreibtischplatte und notierte im Licht einer lose am Kabel baumelnden Glühbirne etwas. Dann endlich sah er auf, musterte mich von oben bis unten und tat so, als hätte er alle Zeit der Welt.
Selbst wenn der Sri-Lanker nichts besitzt, über Zeit verfügt er immer!
Der Arzt fragte mich nach meinem Namen, wo ich herkäme und wie mir Sri Lanka gefalle.
Der dunkle Haarschopf tauchte wieder in der Schublade ab und zauberte schließlich ein Gerät hervor, welches er wie eine Lupe benutzte und mir in meine Entzündung steckte, darin schmerzhaft fuhrwerkte. Um ein Haar hätte auch ich meine Wehleidigkeit ins Wartezimmer geseufzt, wollte aber den Foltermethoden nicht nachgeben und schwieg tapfer. Mit einem Baumwolltuch wischte der Herr Doktor sein Sehrohr sauber, aber keineswegs steril und warf es in seinen Platz zurück. Auf ein Stück Papier kritzelte er ein Schmerzmittel und ein Antibiotikum.
Das Antibiotikum gab es in der Apotheke im Anschluss zu kaufen und ich guckte ganz genau hin, aus welcher Packung meine Dosis herausgeschnitten wurde, verzichtete sicherheitshalber und aus Überzeugung ganz auf das Schmerzmittel.
Das Antibiotikum löste den Entzündungsherd auf und spendete mir einen Magendarmpilz, den ich selbst nach monatelangem Verzicht auf Weißmehl, Zucker und Stärke nicht loswurde. In letzter Instanz erinnerte ich mich an die ayurvedische Kusum und ihre effektiven Heilkräfte. Von ihr ließ ich mir ein Pulver für ein höllisches Gebräu mischen, das mir nach nur zwei Wochen einen gereinigten Darm und strotzende Gesundheit bescherte. Ganz nebenbei warf die
Wirkung von Ayurveda die Frage auf, warum ich in Negombo dreißig Schulmediziner fand, bevor ich auch nur einen ayurvedischen Arzt zu fassen kriegte? Dabei ging Ayurveda zweitausend Jahre vor unsere Zeitrechnung zurück und hatte sich durchaus bewährt – bewährte sich noch, wie ich bewiesen hatte.
„Die Kolonialzeit“, seufzte ein ayurvedischer Arzt, den ich als Informationsquelle anzapfte. „Man wollte uns den Buddhismus und Ayurveda nehmen, hat uns stattdessen das Christentum und die westlich orientierte Medizin aufgedrängt. Heutzutage“, fügte er enttäuscht hinzu, „ist die Bevölkerung auf die schnelle Medizin aus und schluckt lieber Chemie, als sich der ganzheitlichen Methode hinzugeben.“
Darüber waren sich unsere beiden konträren, wertfremden Kulturen einig: Beide wollten wir unsere Lebensgewohnheiten nicht zu Gunsten unserer Gesundheit aufgeben und reagierten lieber als wir agierten. Das nämlich war Ayurveda: Man beugte der Krankheit vor! Das wiederum forderte eine Umstellung der Lebensgewohnheiten, eine angepasste Ernährung und zwang den Blick über die eigenen, physischen und psychischen Schranken hinaus.
Ein Blick, der Zeit kostete und guten Willen, augenscheinlich weder effektiv, noch wissenschaftlich belegt war.
Das war Anlass genug, mich in einen ayurvedischen Massagekurs einzutragen, mit dem ich Sri Lankas Vergangenheit einfangen und in Deutschland den SPA-Besuchern Gesundheit einmassieren wollte.
6. Ich bilde mich ayurvedisch
„Hmm!“, kommentierte mein Mann meinen ayurvedischen Massagekurs. „Find ich gut! Nur“, erklärte er die steile Falte, die seine Stirn teilte, „tue ich mich schwer mit der Vorstellung, dass du fremde Menschen massierst!“ Er stellte sich ungewaschene Massagekundschaft vor, die unter Umständen beim Ausatmen noch den Geruch des gestrigen Abendessens an mich abgaben, vielleicht sogar rülpsten, damit mein ästhetische Empfinden beleidigten und mir widerlich aufstießen. Dazu reichte sonst schon, wenn sich jemand bei mir in den ersten Sätzen unsymphatisch grölte. Solch einen Proleten sollte ich daraufhin nahezu intim anfassen?
„Ein
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