In einem leuchtend schoenen Land
ihm steht.
„Selbstverständlich“, lächelte der Manager. „Ihre Buchung und den Ausweis bitte?“
Aber auch aus der nächsten Nachbarschaft kriegten wir einiges zu hören. Der Bewohner von Haus Nummer drei arbeitete als Strandbauer im Süden und sah sich, als er den Schaden inspizieren wollte, von einigen wütenden Singhalesen umringt, die einen Schuldigen gesucht und ihn in dem weißen Eindringling gefunden hatten. Einer hatte zu diesem Treffen sogar ein Klappmesser mitgebracht.
„Rohre“, brüllten sie und zeigten Richtung Meer, wo die Strandkonstrukteure PVC-Leitungen unter Wasser gelegt hatten, die den Sand anspülten. Die restliche Beschimpfung gab es in Sinhala und wurde ihm später übersetzt: Ihr Eingriff in den natürlichen Lauf der Natur habe die Götter erzürnt und dafür sei ein Racheengel auf die Erde geschickt worden: Tsunami!
Die Götter erfreuten sich überhaupt in den Tagen und Wochen nach Tsunami großer Beliebtheit. Prediger aller möglichen Glaubensrichtungen hielten tragische Weltuntergangsreden und machten sich die Hoffnungslosigkeit ihrer Gläubigen zu nutze. Buddhisten, Moslems, Hindus und Katholiken rekrutierten bei den Verzweifelten potentielle Gläubige und versprachen, was schon seit Jahrtausende versprochen und nie wirklich eingehalten worden war: Die Erlösung in gepredigtem und dem einzig wahrem Glauben. Sie predigten von Kirchen, Tempeln und Moscheen, die anscheinend zwischen den Trümmern unversehrt heraus stachen, Tsunami um sie einen ehrfürchtigen Bogen geflossen war. Aus moslemischer Quelle gab es in Form eines Satellitenbildes der einfallenden Welle sogar Fakten: auf den Wirbeln stand deutlich geschrieben, dass hier die Wut Allahs über die Ungläubigen hergefallen war. Auch unser Hausmädchen brachte interessante Neuigkeiten aus der katholischen Kirche mit:
„Am 8. Januar“, hauchte sie blass, „kommt noch ein Tsunami!“
„Ach“, fragte ich irritiert, „wer sagt denn das?“
„Der Priester!“
Daraufhin betrieb ich Aufklärung und brachte mein Wissen an, das ich mir vornehmlich aus dem Netz gezogen hatte. Ich erklärte, dass das Beben in einer Stärke von 9,3 in Jakarta – ich zeigte ihr auf der Karte, wo dieses Jakarta lag – zwei Erdplatten in Bewegung gebracht und verschoben hatte. Ich demonstrierte jenes mit zwei Tellern unter Wasser, die ich einmal kräftig auf beziehungsweise ab bewegte. Das Abwaschwasser inszenierte zwar keinen Tsunami, aber immerhin ein paar Wellen. Zufrieden trocknete ich meine Hände ab. „Falls noch ein Tsunami kommt, erfahren wir das diesmal garantiert früh genug, um uns in Sicherheit zu bringen.“, schloss ich. Jasinta fand das total einleuchtend und tat so, als sei sie nun die Ruhe selbst – und floh am 7. Januar ins Landesinnere.
Sicher war sicher!
Unser Nachbar Nick war in Sachen Hilfe auch aktiv geworden, wandte sich vorübergehend von seinen kurvenreichen Spielgefährtinnen ab und sammelte Spendengelder. Er hatte vor, Land einzukaufen und Häuser darauf zu stellen. Obdachlose hatte er auch schon gefunden und ein Stück Land auch, dessen Preis sich in den paar Tagen vervielfacht hatte und drohte, noch weiter in die Höhe zu schnellen.
Profitgier auch hier.
Außerdem wollte er in den Süden fahren und vor Ort Hilfsgüter verteilen, die unser Compound gespendet hatte. Das wiederum kam nicht zustande, weil die Transporte von Banden überfallen und ausgeraubt wurden.
Darüber regten wir uns maßlos auf. Dann fiel mir wieder meine geschmacklose Mail vom Tsunamitag ein – und hoppla-hopp saß ich wieder mitten in meinen klebrigen Schuldgefühlen fest und vollbrachte die nächsten Tage in einer feinen Depression, die mich wie Treibsand in die Tiefe riss.
Mit meiner Depression war ich überhaupt nicht außergewöhnlich, las ich später, denn ich befand mich in einer so genannten und sehr wichtig klingenden „posttraumatischen Belastungsstörung“. Dieses komplizierte Wort könnte man auch auf „Schuldgefühle einer Überlebenden“ reduzieren, die mit sechs Kilometern Glück an einer Katastrophe vorbeigeschlittert war. Mit diesem komplizierten, von Psychologen entdeckten Krankheitsbild versehen saß ich trübsinnig in meinem geflochtenen Rattansessel und starrte abwechslungsweise in mein Buch und auf meine Kinder, die auf dem Trampolin Purzelbäume schlugen. Ohne Umstände fand mich ein neuer, düsterer Gedanke, bei dem mir die Tränen über die Wangen liefen. Willi unterbrach seine Purzelbäume, sah nachdenklich
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