In einem leuchtend schoenen Land
zurück. Ich begriff, dass Theorie wie überall ein Leichtes, die Umsetzung eine ganz andere, desillusionierende Sache sein konnte.
„Nur“, spann ich den Faden der Desillusion weiter, „wie weiß man, wer wirklich bedürftig ist und wer nicht?“
„Das wiederum ist ja gottlob nicht unsere Sache!“
Somit erklärte er den Gedankenaustausch für beendet.
Die LTTE hatte sich dazu auch ihre Gedanken gemacht. Im Norden trommelten sie umgehend alle aktiven NGOs zusammen und setzten sie an einen gemeinsamen Tisch. Listen wurden verteilt und abgeglichen, Projekte koordiniert und besprochen. Auf diese Weise minimierten sie die Möglichkeit, dass einzelne mehrfach entschädigt wurden und andere leer ausgingen.
Auch die Regierung hatte ähnliche Pläne – und verlangte erneut, als einzige Verteilerin von Geld und Gütern aufzutreten. Dumm nur, dass ihre Glaubwürdigkeit über ein paar Korruptions- und Hinterziehungsskandale gestolpert war. Am peinlichsten der des damaligen Ministerpräsidenten Mahinda Rajapaksa: Jener wurde beschuldigt, Spendengelder auf sein persönliches Konto umgeleitet zu haben.
Ein knappes Jahr später schaffte er es auf den Präsidentensitz!
Wieder einmal war das, was ich in meiner Fantasie gemalt hatte, viel schöner als das, was in der Realität dabei herauskam.
Denn jetzt ging der Schlagabtausch erst richtig los. Regierungstreue Zeitungen druckten Heldenstücke der Regierung ab und malten in ihrem Artikel blühende Landschaften und strahlende Hilfsgeldempfänger ab.
Der tatsächliche Wiederaufbau ging nur schleppend voran. Vor Augen geführt bekamen Andreas und ich dies im April 2005, als wir für einen Kurzurlaub in den Süden fuhren. Wir quartierten uns in dem Surferparadies, folglich in einem wellen- und somit tsunamiexponierten Dorf namens Hikkaduwa ein. Wir kamen an einem Hotel vorbei, von dessen Erdgeschoss der Tsunami nur noch ein paar furchterregende Pfeiler gelassen hatte. Die Rezeption erhob sich im Freien aus notdürftig zusammengetragenen Mauerresten; auf einer Seite raste die Straße vorbei, auf der anderen krachten die Wellen an Land. Auf einem handgemalten Stück Karton erregte „Zimmer frei“ unser Mitleid und wir mieteten uns ein, bezogen mit einem Schwarm Mücken einen ersten Stock mit Blick auf Strand, weggeschwemmte Häuser und Bootstrümmer. Wir gehörten zu den wenigen „Touristen“, die sich in letzter Zeit noch nach Sri Lanka verirrten. Andere Häuser hatten weniger Glück und schon gar kein erstes Geschoss gehabt. Ihre Besitzer würden die nächsten Monate in einem der notdürftig eingerichteten Zelte schlafen, die von NGOs zur Verfügung gestellt worden waren. Ein Großteil der Dorfbewohner war von der Regierung mit einer einmaligen Zahlung über zehntausend Rupien (ca. hundert US-Dollar) abgefunden worden. Mehr gab es nicht und sie wandten sich an jene, die dieser Regierung nicht angehörten und ihnen keine Luftschlösser bauten, sondern ohne Umschweife zupackten. Eifrig zimmerten NGOs Holzverschläge, die als vorübergehende Behausungen gedacht waren, und statteten die Dorfbewohner mit Fischernetzen, Booten und Schul-Allerlei aus.
Allerdings flogen auch dort Missstände auf. Das war kaum zu vermeiden, schließlich waren Menschen am Werk. Die von einigen NGOs 2500 Dollar in Aussicht gestellte Abfindung motivierte einige, aus ihren unbehelligten Häusern Fenster und Mauern herauszuschlagen und Wasserschäden mit Kübeln zu inszenieren, daraufhin als tsunamigeschädigt zum Einkassieren anzutreten. Bei einer Hilfsorganisation, lasen wir kopfschüttelnd, tauchte eine Abrechnung von eintausend Dollar auf, die für den Einbau einer Haustür verrechnet worden seien; Häuser, die von Hilfsorganisationen gebaut wurden, mussten wieder abgerissen werden, weil der verwendete Zement minderwertig und die Häuser schon baufällig waren, bevor sie überhaupt bezogen werden konnten. Die Zölle wiederum, die die Regierung auf Hilfsgüter erhob, brachten die Lager zum überquellen. Wasseraufbereitungsanlagen verrosteten, Zelte blieben liegen. Alle Güter, so erklärte man den ratlos am Zoll stehenden Abholern, sollten idealerweise durch das Nadelöhr Regierung gefädelt, die Verteilung von dort aus organisiert werden. Die Zollabwicklung wurde ein bürokratischer Kraftakt und die abgestellten Güter waren dem Diebstahl ausgesetzt. Selbstlos bereitgestellte Ware kam abhanden oder verdarb mit der Zeit.
Die Gerüchte über Veruntreuung nahmen kein Ende, was Menschen wie uns,
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