In einem leuchtend schoenen Land
davon wussten, waren keine mehr vorhanden und c: einige konnten weder lesen noch schreiben.
Fortan las sich die lokale Tageszeitung wie ein überspannter Kriminalroman. Staunend klebte ich an den Schlagzeilen und deren Ausführungen. Verblüfft verfolgte ich Berichten von der Spendenfront und verlor darüber glatt meinen blühenden Optimismus. Ich guckte und stutzte gründlich über den Schlagzeilen, wunderte mich eingehend über die Präsidentin Chandrika Bandaranaike Kumaratunga und ihre Lakaien. Laut beklagten sie, dass Spendengelder ohne ihr Mitwirken direkt in die NGOs (regierungsunabhängige Organisationen) flossen und von dort aus unter die Betroffenen gebracht wurden. Daraufhin beklagten sich die NGO-Mitarbeiter, dass die Regierung eine dreißig-Prozent-Steuer auf importierte Hilfsgüter wie Zelte, Wasseraufbereitungsanlagen und Kleidung erhoben hatte und, konnte jene nicht bezahlt werden, die Hilfsgüter versteigerte. In diesem Tumult bekam die vorübergehende Harmonie Risse, die zwischen den kriegerischen Parteien kurzfristig zustande gekommen war. Sinhala- und Tamil-Blätter wuschen mit tendenzieller Berichterstattung das Gehirn der Lesenden radikal und führten zu weitgreifenden Unstimmigkeiten. Fehden aus der Vergangenheit wurden aufgewärmt, statt dass die akute Not mit vereinten Kräften angegangen wurde.
„Ihr seid alle korrupt!“, beschimpfte die LTTE die Regierung, „und kümmert euch nur um eure Leute!“
„Ihr benutzt die Gelder nur um aufzurüsten“, brüllte die Regierung zurück – und schon lag der fragile Neuanfang in Scherben.
Es kam, wie es kommen musste: Der von der Regierung erstellte Notfallplan war bald nur noch heiße Luft und in den Süden fahrende Hilfslaster wurden von Rebellen geentert und umgeleitet.
„Das ist so typisch“, machte die LTTE Stimmung. „Der Süden wird bevorzugt und um uns kümmert sich keiner!“
Tatsächlich war im Nu die Straße in den Süden erneuert und sogar ausgebaut worden, die Eisenbahn tutete bald wieder idyllisch an der Küste entlang und die Strommasten waren neu aufgestellt und versorgten den Süden mit Strom. Außerdem hatten sogar einige Bewohner im Süden ein paar Rupien abbekommen!
„Und wir? Wo ist die Hilfe für uns?“, beschwerte sich die LTTE und man musste befürchten, dass sie sich mit Gewalt holten, was sie glaubten nicht abgekriegt zu haben: Man warf ihnen die Überfälle auf die Hilfsgüter vor.
Insgesamt war Helfen ein äußerst diffiziles Projekt, kam an einigen Stellen in unsinnigem Überfluss an und erreichte andere nicht einmal oberflächlich; den Fischern half man schnell und umfangreich und die Auftragsbücher der Bootsbauer waren voll. Ein Jahr später tauchte eine Statistik auf, dass Sri Lanka mehr Fischerboote besaß als vor der den Wellen, während die Fischer über leer gefischte Gewässer klagten.
„Kommissionen“, tönte unser Nachbar, „fließen da besonders schön.“ Er überließ uns die Sonntagszeitung, die jene Anschuldigung genüsslich auf die erste Seite gedruckt hatte. Auch die Eselskarren, die vor Tsunami für den Kleintransport eingesetzt wurden, waren bald fast vollständig von den Straßen verschwunden. An ihrer Stelle verpesteten Dieselfresser die Luft, die für ihre Besitzer mit den steigenden Benzinpreisen eine teure Angelegenheit werden würden.
Helfen ja, grübelte ich Wochen nach der verheerenden Naturkatastrophe, aber wie half es sich am hilfreichsten?
Meine herumirrenden Fragezeichen blieben nicht unentdeckt.
„Du wirst die Welt mit Grübeleien auch nicht ändern“, ermahnte mich Andreas.
„Nein, wohl nicht“, bedauerte ich und fügte hoffnungsvoll hinzu: „Wahrscheinlich ist alles halb so wild.“
„Was ist halb so wild?“
„Die Spenden“, spezifizierte ich sehr vage.
„Spenden?“
„Nun“, holte ich aus, „ich würde sagen, der Mensch ist ein eigenartiges, selbstsüchtiges Geschöpf.“
Er ahnte einen Monolog der Gattin und breitete seine langen Glieder gemütlich auf der Liege aus. Andächtig lauschte er meinen hochtrabenden, besserwisserischen Ideen.
„Vielleicht wäre es besser, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten!“, fing ich an.
„Jetzt bist du aber nicht besonders originell! Diesen Grundsatz haben die Hilfsorganisationen längst aufgegriffen. Aber im Falle von Tsunami ist es ja einigermaßen schwierig, ihnen die Selbsthilfe zu finanzieren, wenn sie gerade ihr ganzes Hab und Gut verloren haben“, brachte er mich wieder auf den Boden der Realität
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