In einem leuchtend schoenen Land
damals noch der Bürgerkrieg.
Und das alles ohne Notarzt.
Die Kinder ihrerseits ließen diese Ängste bei mir und tobten ausgelassen zwischen meinen imaginären Schlangen, Krokodilen und Skorpionen. Wenn sie nicht trieben, sprangen sie von abfallenden Felsvorsprüngen ins Wasser (Hoffentlich ist das tief genug!!) und spielten an überhängenden Ästen Affe. Damit die Muttersorgen nicht ganz umsonst waren, schnitt sich unser Jüngster herzhaft mit einer garantiert nicht sterilen Scherbe in den Finger und simulierte mit tropfendem Blut den Schwerverletzten. Pflaster wurden herbeigeschafft, wichtige Reden um Nähen oder nicht Nähen geschwungen, Ängste aufgeheizt und wieder abgekühlt und dreißig Minuten später strapazierten wir noch mal Unverdautes über die Serpentinen Richtung Ziel.
Mit verwitterten Fenstern blickte das Hotel auf den heiligen Berg, einige Meter tiefer fraß sich ein Fluss durch die Felsen ins Tal. Auf feurigem Reis und Curry kauend blickten wir auf den Fluss, wo vier Buben aus unserer Gruppe nach Blutegeln fischten. Die Wolken hingen dicht über ihnen und legten dem Adams Peak einen Schleier um. Besorgt betrachteten wir die aufdringlichen Wolken, die unseren Auf stieg zu einer nassen, aussichtslosen Angelegenheit machen könnten.
„Deshalb gibt es eine Adams-Peak-Pilger-Saison“, schulmeisterte ein Teilnehmer vorwurfsvoll. Ich stellte mir vor, wie ich gemeinsam mit hunderten von Singhalesen gleichzeitig Flip-Flop an Flip-Flop und Schweiß an Schweiß in der Schönwettersaison von Dezember bis Mai die 4500 Stufen zum Berg hinauftrödelte.
„Dann geh doch in der Saison, wenn du meinst!“, dachte ich genervt, schwieg aber vornehm, wollte auf keinen Fall die gute Gruppenstimmung stören.
Allerdings dachte ich bei weitem nicht so vornehm, wie ich schwieg.
Und ich dachte, dass die Blutegel, die in der Feuchtigkeit Jagd auf nackte Menschenhaut machten, die klamme Kleidung und die vielen abgerutschten Füße auf glitschigen Stufen ein Preis waren, den ich für einen stillen Aufstieg neben der Saison und folglich meistens im Regen gerne bezahlte. Wohl hatte ich mich in den Jahren an viele Menschen auf einem sehr begrenzten Raum gewöhnt, fühlte mich darin Dank der Grundgelassenheit der Sri-Lanker nur noch in Ausnahmefällen bedrängt. Lautsprecher jedoch, die in Form von sich überschlagenden Tonartvariationen in mein Ohr trommelten und Lichterketten, die sich vor das Sternenmeer am Himmelszelt drängelten, die hätten meinem persönlichen Aufstieg neben physischen auch noch psychische Schmerzen zugefügt. Rufe nach meiner Kaufkraft aus angrenzenden Holzbuden würden dem gemütlichen Aufstieg den Rest gegeben. Ununterbrochen wäre ich damit beschäftigt gewesen, Souvenirs, pappsüßen Tee und Wegzehrung abzuwehren; Folgen der Hauptsaison, die für meine Sehnsucht nach der Nebensaison zuständig waren.
Bedauerlicherweise lösen sich so viele unausgesprochene Gedanken in mir selten lautlos auf, sondern brechen in diesem Prozess gerne tosend aus mir hervor, richten nicht selten heftigen Schaden an.
Heute machte ich da keine Ausnahme: „Wir hätten auch zur Hauptsaison oder besser im singhalesischen Neujahr oder gar zu Vesak pilgern können“, flötete ich unschuldig in die Runde. Die Ungezogenheit landete punktgenau auf dem meckernden Bedenkenträger, der zusammenzuckte und sich freundlicheren Menschen zu-, und von mir abwandte. Er hatte mir einige Jahre Sri Lanka voraus und brauchte von mir keine Belehrungen bezüglich dessen, wie schwer Feiertage auf dem Pilgerberg lasten konnten; an Feiertagen schien die Ausbeute des heiligen Segens besonders ergiebig. Legte man auch nur einen Bruchteil der zwanzig Millionen gläubigen Inselbewohner auf den Berg um, der in der Freizeit bestiegen wurde, ahnt man, dass die schmalen Pfade damit unbedingt überfordert sein mussten.
Sri Lanka konnte mit einer beeindruckenden Konzentration an gefeierten Tagen aufwarten, brachte davon jährlich neunundzwanzig Tage zustande – und da hatte unser Kanzler Kohl einst die in Deutschland üblichen sechzehn freien Tage Deutschlands mit der Aussage: „Freizeitpark Deutschland!“ beanstandet. Nachdem mein Mitteilungsbedürfnis für heute schon genügend angerichtet hatte, lenkte ich einen weiteren Ausbruch ab, indem ich stumm die sri-lankischen Feiertage sammelte. Mit den monatlichen Vollmonden kam ich – ohne mich mathematisch auch nur einen Hauch angestrengt zu haben – auf zwölf.
Der Vollmond, der in meinem
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