In einem leuchtend schoenen Land
Kulturkreis für Verkehrsunfälle und sonstige Missstände verantwortlich gemacht wurde, war dem Buddhisten heilig und wurde monatlich als freier Tag gefeiert.
Mahinda Rajapaksa, mein ungeliebter sri-lankischer Präsident, hatte kurz nach seiner Wahl ein Verbot gesetzlich verankert, das viel Sinn und ihn mir kurzfristig sympathisch machte: An Poya-, den Vollmondtagen, war der Verkauf und Konsum von Alkohol nicht erlaubt. In der Vergangenheit hatte der Vollmond und der damit einhergehende Alkoholkonsum regelmäßig zu Schlägereien geführt. Die Betten in den Krankenhäusern waren in diesen Zeiten mit Verletzten und schwer Verletzten belegt und verpassten dem geweihten Tag einen unangenehmen Beigeschmack.
Ein Frevel, bedachte man, dass Buddha monatlich zum Vollmond ausschließlich Frommes und Erinnerungswertes bewerkstelligt hatte, was vom Buddhisten dann in Tempeln oder eben auf Pilgerreisen angebetet wurde, sicherlich nicht streitsüchtig am Strand und auf der Straße ausgefochten werden sollte.
Besonders ergreifend beging man den Vollmond mit dem legendären Elefantenumzug, dem Peraheras. Elefanten, Tänzer und Trommler zogen kilometerlang über die für sie gesperrten Straßen. Mehrere Stunden lang wurden Sagen getanzt und getrommelt, in Kandy trug ein Elefant zum Julivollmond einen Zahn Buddhas, dem man nachsagte, dass er in diesem Monat dort hinterlegt worden sei.
Als ich mit den Kindern am Straßenrand einen Teil der Zuschauer des Peraheras stellte, fand ich mich in hypnotisierter Bewegungslosigkeit wieder und fiel meinem Umfeld mit „Schaut mal, wie federleicht die Tänzer sich bewegen!“ kräftig auf die Nerven. Nach eineinhalb Stunden verloren die Kinder am Umzug das Interesse und wollten nach Hause, wohin wir ein ganzes Stück weit zu Fuß gehen mussten, weil auch wir von der Straße ausgesperrt worden waren.
Unterdessen hatte sich die Wolkenschicht um unseren Pilgerberg aufgelöst und die Hoffnung auf einen aussichtsreichen, trockenen Aufstieg hob die Stimmung. Während die anderen darauf anstießen, befasste ich mich – ganz im Strudel der Feiertage gefangen – näher mit den Vollmondtagen. Im Januarmond, so erinnerte ich mich, war Buddha ein erstes Mal nach Sri Lanka gereist. Im Februar wiederum verkündete er im Alter von achtzig Jahren, dass er in drei Monaten sterben würde, im März hatte er – auch hier ein erstes Mal – nach seiner Erleuchtung seine Familie besucht, im April reiste er ein zweites Mal nach Sri Lanka, im Mai wiederum verrichtete er gleich Dreifaches: Einmal wurde er geboren, dann erleuchtet und schließlich ist er dann gestorben, woraufhin er ins Nirwana treten konnte. Folglich wurde der Mai als denkwürdigster Vollmond, genannt Vesak, überschwänglich geliebt und mit vier Tagen niedergelegter Arbeit bejubelt. Als Zeichen der Vergänglichkeit baumelten gebastelte Laternen am Straßenrand und an Hauswänden. Ursprünglich sollten sie aus Seidenpapier hergestellt werden, sich im Regen auflösen und damit Geburt und Tod ausdrücken. Im Zuge der Wegwerfgesellschaft schwangen sie vornehmlich aus unauflösbarem Plastik im Wind … Vesak, überlegte ich auf der Rückkehr in meine Feiertagssammlung, machte die Vollmondrechnung mathematisch anspruchsvoller. Ich strich zwölf aus, zählte mit meinen Fingern drei extra Tage dazu und setzte fünfzehn ein.
Neunundzwanzig minus fünfzehn machte genau vierzehn verbleibende freie Tage, die ich aus meinen Gehirnwindungen ziehen wollte. Dort saßen sie fest. Mir wollte gar nichts mehr einfallen, bis aus den Tiefen meiner Vergesslichkeit Deutschland auftauchte.
Weihnachten!
Glücklich strich ich zwei Tage aus den verbleibenden Feiertagen, erinnerte mein erstes, mitternächtliches Erwachen im srilankanischen Weihnachten. An unserem ersten 24. Dezember, punkt Mitternacht, wurden rechts und links sowie in unserem Garten Gewehrsalven abgefeuert. Jetzt war der Krieg doch bis zu uns vorgedrungen! Verschreckt sprang ich damals auf, kroch zum Computer und wählte mich für nähere Informationen ins Netz.
War dann aber nur der klassische Fehlalarm!
War nur die große Begeisterung der Katholiken nebenan, die sich gleich so sehr freuten, dass sie in Gedenken an das neugeborene Jesuskind Knaller abfeuerten, welche das unerfahrene Ich mit Krieg verwechselt hatte.
Armes Jesulein, das wäre ganz schön erschrocken, wenn es in so einen Lärm hinein hätte geboren werden müssen. Und die Hirten und Könige wären wohl vorsichtshalber zu Hause
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