In einem leuchtend schoenen Land
Stegs in die Lagune, setzten uns auf Morsches und beobachteten, wie sich in der aufgehenden Sonne eine Spitze am Horizont abzeichnete.
„Heilig“, sagte Andreas, noch ganz in den Jakobsweg versunken, den uns Hape Kerkeling literarisch näher gebracht hatte. „Nennt sich Adams Peak oder bei den Singhalesen ‚Sri Pada‛.“
„Eine Light-Version des Jakobsweges“, seufzte ich und schaute fasziniert auf die Spitze, sinnierte schließlich: „Ob wir da oben wohl auch Gott begegnen könnten?“
„Nachdem wir 2243 Meter bestiegen haben ganz bestimmt mit wunden Füßen!“
Die Sonne war unterdessen, höchstwahrscheinlich ohne wunde Füße, über den Adams Peak geklettert und würde demnächst wieder hitzig über uns hängen.
„Nur Schmerzen?“, interessierte mich. „Sonst nichts?“
Andreas überlegte.
„Der Sonne ganz nah und wenn die Sonne für Gott steht, dann ja: Wir könnten dort oben Gott begegnen! Allerdings einer Vielzahl von Göttern.“
Dann zählte er auf, wen der Pilger dort oben zu finden glaubte.
„Der Buddhist findet Buddha, die Muslime und Christen den Adam und die Hindus ihre vielarmige Göttin Shiva!“
Und uns blieben wieder einmal nur die besagten, wunden Füße.
Als uns der Platz an der Sonne zu heiß wurde, verzogen wir uns ins Haus und unter dem wirbelnden Ventilator blätterte ich nach Details zum Adams Peak. Ich las, dass Moslems und Christen glaubten, dass Adam mit einem 1,8 Meter langen Fußabdruck auf der Spitze einen bleibenden Eindruck im Felsen hinterlassen hatte, als er seinen allerersten Schritt auf die Erde gesetzt hatte. „Beim Anblick dieses Eindrucks fiel bestimmt was für die Gläubigen ab, ein Wunsch oder so“, überlegte ich und las weiter. Buddhisten sahen darin Buddhas Fuß und forderten jeden singhalesischen Buddhisten dazu auf, einmal in seinem Leben bergauf zu pilgern. Den Frauen würde der Aufstieg im nächsten Leben die Inkarnation als Mann einbringen.
Adams, Buddhas oder Shivas Fuß in Stein.
Verlockend!
Als wir von unseren Freunden gefragt wurden, ob wir Lust hätten, mit ihnen eine 2243 Meter hohe Pilgerreise anzutreten, dachte ich sorgfältig nach, ob ich das Risiko, in einem eventuellen nächsten Leben als Mann geboren zu werden, eingehen wollte. Das lockte mich, die europäisch Erzogene, weniger als die Singhalesin. Schließlich kannte ich mich nach nun über vierzig Jahren im Weiblichen aus und hätte, in jenem eventuellen nächsten Leben, lieber die Früchte meiner hormongeladenen Erfahrung geerntet, als mich mit dem neu hinzukommenden Y-Chromosom eines Mannes rumzuschlagen.
Wir sagten zu, weil ich ja nicht wirklich an neue Leben glaubte, grundsätzlich mit meinem einen Leben ganz zufrieden war und nicht meine ganzen Hoffnungen und Energien in ein neues Leben nach dem Tod, sondern lieber in mein endliches Dasein steckte.
Wir legten den Termin auf das letzte Wochenende, bevor die Pilgersaison losging: Im Vollmond wollten wir vereinigt mit Moslems, Christen, Hindus, Buddhisten und Touristen zum Fußabdruck aufsteigen. Im Gegensatz zum Gläubigen folgte der Tourist beim Aufstieg meistens keinem göttlichen Plan und glaubte im Laufe der Klettertour an das, was unumgänglich schien: an Muskelkater, Schlafmangel und einen Sonnenaufgang, der aus der Tiefe aufflammte und ein spirituelles Erlebnis für sich zu werden versprach.
An einem Samstag schaukelten wir in einem überladenen Bus über das geteerte Flickwerk und kurvten entlang gewundener Serpentinen, bis wir alle ganz grün um die Nase waren und jene schon gründlich voll hatten. Die sich ankündigende Magenverstimmung versuchte ich mit Geschwätz zu verdrängen und tauschte mit den Damen der ersten Sitzreihe Wichtiges oder eher Unwichtiges aus, drehte mich einige Male zu den hinteren Sitzreihen um und fand den dazugehörigen Mann gesundheitlich angeschlagen im Rücksitz lümmeln.
„Richtige Pilger pausieren am Fluss“, erlöste uns die pilger-erfahrene Heike und ließ an einem reißenden Fluss anhalten. Dort schlürften wir auf einer Felsterrasse stilvoll Tee und sahen zu, wie unser Nachwuchs in der Strömung flussabwärts trieb. Ich musste mich mächtig zusammenreißen, um nicht mit meiner mütterlichen Phobie das Treiben der Kinder zu unterbinden.
Seit Sri Lanka hatten sich meine mütterlichen Ängste vervielfacht. Es gab so vieles, worüber eine Mutter sich ängstigen konnte: Schlangen und Krokodile zum Beispiel, Skorpione oder Ertrinken, auf der Straße wiederum der Verkehr – und
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