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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Walton
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ist und nur noch selten irgendwohin fährt, also sollte ich mich geehrt fühlen, und das tue ich auch.

Montag, 21. Januar 1980
    Sam hat mir einen kleinen Strauß Schneeglöckchen aus dem Garten seiner Vermieterin mitgebracht. »Das sind die ersten«, sagte er. Trotz der langen Fahrt mit Zug und Auto – Daniel hat ihn in Shrewsbury abgeholt – waren sie noch fast frisch und dufteten herrlich. Mor hat Schneeglöckchen immer geliebt. Es waren ihre Lieblingsblumen, und wir haben welche auf ihrem Grab gepflanzt. Ob sie wohl schon blühen? Eine der Tanten hat meine in eine kleine Kristallvase getan, die zu der Karaffe passt, und jetzt stehen sie auf meinem Nachttisch.
    Sam hat mir auch zwei Bücher von Platon mitgebracht – Nomoi und Phaidros , was ich schon immer einmal haben wollte, denn das lesen sie in The Charioteer . Sie sind nicht neu, ganz offensichtlich hat er sie schon einige Zeit, aber er muss eine halbe Ewigkeit damit zugebracht haben, nach ihnen zu suchen. Außerdem hat er mir ein kleines blaues Pelican-Taschenbuch gegeben, Die Griechen von H.D.F. Kitto, damit ich die Zusammenhänge besser verstehe, wie er gesagt hat. Das hilft mir bestimmt nicht nur bei Platon, sondern auch bei Mary Renault. Hoffentlich ist es interessant geschrieben. Das Geschichtsbuch von Churchill, das ich als Preis bekommen habe, habe ich noch immer nicht angefangen.
    Außerdem hat er mir noch ein Döschen Beinwurzsalbe mitgebracht, die sonderbar riecht. »Ich weiß nicht, ob das etwas hilft, aber ich dachte, einen Versuch ist es wert«, sagte er. Ich habe mein Bein damit eingerieben, und es hat überhaupt nichts geholfen, außer dass es jetzt komisch riecht, aber es ist der Gedanke, der zählt.
    Sam ist der Meinung, dass ich mich akupunktieren lassen sollte. Sam verfügt über eine gewisse Magie, keine echte Magie, aber er ist so ganz er selbst. Es würde jeder Art von Magie schwerfallen, bei ihm irgendeinen Ansatzpunkt zu finden. Es war interessant, ihn in Gesellschaft der Tanten zu beobachten; er ist äußerst höflich zu ihnen, behandelt sie aber so, als wären sie nicht weiter wichtig, und sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Er hat keine Ritzen, in die sie eindringen können. Wenn sie das Akupunktieren vorgeschlagen hätten – dabei werden einem Nadeln ins Fleisch gesteckt –, hätte ich mich nach Kräften gewehrt. So waren sie natürlich dagegen.
    »Das ist doch nur ein törichter chinesischer Aberglaube, wie kannst du das ernst nehmen«, sagte die Erste.
    »Morwenna hat furchtbare Angst vor Nadeln, sie hat sich ja nicht einmal die Ohren durchstechen lassen«, fügte die Zweite hinzu.
    »Was um Himmels willen soll das denn bewirken?«, schloss die Dritte.
    Aber Sam ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ich finde, wir sollten es versuchen. Was kann es denn schaden? Morwenna ist ein vernünftiges Mädchen.«
    Er hat eine Praxis in Shrewsbury ausfindig gemacht und sich die Adresse aufgeschrieben. Er wollte auf der Stelle mit mir dorthin fahren, aber die Schwestern brachten Daniel dazu, dass er zuerst anrief. Er hat für morgen früh einen Termin gemacht.
    Sam war den ganzen Nachmittag bei mir im Zimmer, und wir haben uns unterhalten. Er ist ein alter Mann und hat ein merkwürdiges Leben hinter sich – stell dir vor, du findest heraus, dass deine ganze Familie umgebracht worden ist! Das wäre, wie wenn Wales in diesem Moment im Meer versinken würde, und dann wäre nur noch ich übrig. Na ja, Vetter Arwel in Nottingham auch, aber nur wir beide von allen, mit denen ich aufgewachsen bin. Genau so war es für Sam. Als er nach dem Krieg zurückkam, waren sie alle fort, und in seinem Haus wohnten fremde Leute, und die Nachbarn taten so, als kennten sie ihn nicht. Die Brotbüchse seiner Mutter stand bei den Nachbarn auf dem Tisch, aber nicht einmal die gaben sie ihm.
    »Und dir bedeuten sie rein gar nichts«, sagte er.
    »Nicht nichts.«
    »Das sind fremde Menschen. Selbst ich bin für dich fremd. Aber meine Familie, das waren deine Vettern und Basen. Die Regierung redet schon lange davon, eine Wiedergutmachung zu bezahlen. Aber wie kann man den Verlust einer Familie wiedergutmachen? Wie können sie dir deine Vettern zurückgeben, die du nie gekannt hast, und deine Basen, die nie geboren wurden, die jetzt in deinem Alter wären?«
    Da begann ich zu begreifen. Ich könnte ein Gedicht darüber schreiben: »Hitler, gib mir meine Vettern und Basen zurück!«
    Ich glaube, es stimmt Sam ein wenig traurig, dass ich keine Jüdin

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