In einer anderen Welt (German Edition)
Sie sind erwachsen und haben ihr eigenes Haus – und was für ein schönes Haus! Aber sie wissen nichts mit sich anzufangen. Sie lesen nicht, sie arbeiten nicht, sie stellen nichts her. Sie organisieren Wohltätigkeitsbasare für die Kirche. Oma hat das früher auch getan, dabei hat sie ganztags unterrichtet. Sie sorgen dafür, dass im Haus alles ordentlich ist, aber das ist kein Vollzeitjob für drei Leute. Sie bezahlen meinen Vater dafür, dass er das Anwesen und das Geld verwaltet, das machen sie also auch nicht. Sie sind wohlhabend, wenn nicht sogar reich, glaube ich, aber sie gehen nirgendwohin und machen nichts, sie sitzen nur herum und essen schauderhafte Scones und reden voller Begeisterung über die Zeit, als das Haus Scott den Pokal gewann. Ich weiß nicht genau, wie alt sie sind, aber sie wurden vor 1940 geboren, also sind sie mindestens vierzig, und es bedeutet ihnen immer noch etwas, welchem bescheuerten Haus sie in der Schule angehörten! Sie haben nicht einfach nur so getan, damit sie etwas haben, worüber sie mit mir reden können. Das wäre mir aufgefallen. Die meiste Zeit haben sie sich nur miteinander unterhalten. Warum wohnen sie hier? Und warum hat keine von ihnen geheiratet? Vielleicht hassen sie Kinder. Ich bin ihnen jedenfalls ein Ärgernis, aber das zählt nicht; wenn sie gewollt hätten, hätten sie selbst nette, wohlerzogene Kinder haben können.
Daniel hat Straße des Ruhms und Die Zeit der Hexenmeister , beides Fantasygeschichten, wie er sagt. Außerdem hat er mir Das geborstene Schwert von Poul Anderson geliehen. Ich lese noch immer die Callahan-Geschichten, die erstaunlich nett sind, gar nicht wie Die Telepathen , aber sie machen mir Spaß.
Morgen gehen wir in die Kirche und essen mit den Tanten zu Mittag, und dann muss ich wieder in die Schule. Verdammt.
Montag, 5. November 1979
Ich weiß noch gut, dass ich im Labyrinth das Gefühl hatte, die Schule wäre ganz weit weg, aber kaum war ich wieder hier, ergriff sie von allem Besitz, als wäre ich nie fortgewesen.
Schon seltsam, wie unbedeutend die Dinge sind, die in den Herbstferien passiert sind und über die ich reden kann. Es war nur eine Woche, aber im Vergleich zu einer Schulwoche kommt es mir vor wie ein Jahr. Als ich jedoch in französischer Konversation danach gefragt wurde, konnte ich nur sagen: » Je visite mon grand-père dans Londres et je visite mon autre grand-père dans Pays de Galles. « Zwei Besuche bei Großvätern, mehr nicht, und Madame hat nur gesagt, dass es en heißt, nicht dans . Ich tauche in die Schule ein wie in ein warmes Bad, und sie schlägt über meinem Kopf zusammen. Selbst wenn ich ihnen von Halloween und Glorfindel und den Toten erzählen könnte, würde ich das nicht tun.
Straße des Ruhms ist eine einzige Enttäuschung! Ich finde es furchtbar. Stattdessen lese ich jetzt Gills Buch mit den Wissenschaftsessays von Asimov, so sehr ist es mir zuwider. Ich liebe Heinlein, aber von Fantasy hat er echt keine Ahnung. Es ist einfach nur dumm. Und niemand versteht »Oscar«, wenn jemand »Oh, Scar« sagt, das ist einfach nicht glaubwürdig. Das ist fast so läppisch wie das Titelbild, und das will etwas heißen, denn das Titelbild ist so schlecht, dass Miss Carroll, die an ihrem Schreibtisch am anderen Ende der Bibliothek saß, die Augenbraue hochgezogen hat. Schon seltsam, dass Triton , in dem es um Sex und Soziologie geht, ein paar explodierende Raumschiffe auf dem Cover hat, während Straße des Ruhms , in dem Sex hier und da erwähnt wird, das ansonsten aber eine doofe Abenteuergeschichte ist, so ein Titelbild hat.
Irgendein Gedichtwettbewerb soll demnächst stattfinden. Alle scheinen davon auszugehen, dass ich ihn gewinne.
Ich vermisse die Berge. Bisher habe ich nur gedacht, wie langweilig flach hier alles ist, aber nachdem ich jetzt zu Hause war und sie für eine Weile um mich hatte, vermisse ich sie sogar sehr, mehr als meine lebenden Verwandten, mehr als die Möglichkeit, die Toilettentür zu schließen. Völlig flach ist es hier zwar nicht, ein paar Hügel gibt es schon, und in der Ferne kann ich, wenn es klar ist, die Berge von Nordwales sehen. Aber ich vermisse es, die Berge um mich herum zu haben.
Dienstag, 6. November 1979
Gestern Abend Feuerwerk und Lagerfeuer auf dem Schulgelände. Ich habe gesehen, wie einige der Feuerfeen näher gekommen sind, aber offenbar als Einzige. Man kann sie nur sehen, wenn man an sie glaubt, darum fällt es Kindern am leichtesten. Menschen wie ich verlernen
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