In einer anderen Welt (German Edition)
der Roman könne es mit dem Besten von Tolkien aufnehmen. Auf dem Rückendeckel wird das Zitat der Washington Post zugeschrieben, einer Zeitung, deren Empfehlungen ich nie wieder vertrauen werde. Wie können sie es nur wagen? Dieser Vergleich steht niemandem zu, außer wenn es heißt: »Verglichen mit Tolkien ist das entsetzlicher Schund.« Meiner Meinung nach gilt das sogar für wirklich geniale Bücher wie Der Magier der Erdsee . Vermutlich ist Lord Fouls Fluch (furchtbarer Titel, klingt nach einem Conan-Buch) eher wie das Schlechteste von Tolkien, also wie der Anfang des Silmarillion zum Beispiel.
Was soll ich über Tolkien schon sagen? Der Herr der Ringe ist ein Meisterwerk. Diese ganze Welt, das Eintauchen in sie, die Reise ... Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Geschichte nicht wirklich wahr ist, aber deshalb ist es umso erstaunlicher, dass sich jemand das alles ausgedacht hat. Dieses Buch hat mein Leben verändert. Ich weiß noch, wie ich den Hobbit zu Ende gelesen und Mor gegeben habe. »Lies es«, hab ich zu ihr gesagt. »Es ist echt toll. Steht da nicht irgendwo noch ein anderes Buch von dem Autor?« Und ich weiß noch, wie ich es gefunden habe – wie ich es aus dem Zimmer meiner Mutter geklaut habe. Wenn die Tür offen stand, fiel das Licht auf die Regale mit den Buchstaben R, S und T. Wir hatten immer Angst, da reinzugehen, falls sie sich irgendwo in der Dunkelheit versteckte und uns auflauerte. Das hat sie einmal gemacht, als Mor Flammender Kristall zurückgestellt hat. Wenn wir eines ihrer Bücher nahmen, schoben wir die übrigen ein Stück auseinander, sodass es nicht weiter auffiel. Aber die einbändige Ausgabe von Herr der Ringe war so fett, dass das nicht ging. Ich hatte entsetzliche Angst, sie könnte die Lücke entdecken. Fast hätte ich es nicht genommen. Aber entweder hat sie nichts bemerkt, oder es war ihr egal – gut möglich, dass sie mit einem ihrer Freunde unterwegs war.
Ich habe noch nicht erklärt, was mich daran so fasziniert hat.
Wenn man es liest, hat man das Gefühl, dort zu sein. Als würde man mitten in der Wüste auf eine magische Quelle stoßen. Es enthält alles. (Außer Lust, sagt Daniel. Aber Schlangenzunge kommt darin vor.)
Es ist eine Oase für die Seele. Selbst jetzt kann ich immer noch nach Mittelerde flüchten und dort glücklich sein.
Wie kann man irgendetwas damit vergleichen? Ich kann nicht fassen, wie anmaßend dieser Stephen Donaldson ist.
Sonntag, 11. November 1979
Ich bin mitten in der Nacht aus dem Fenster des Schlafsaals geklettert und habe in einem Kreis die Briefe verbrannt. Niemand hat mich gesehen. Den Kreis habe ich aus Sachen gemacht, die herumlagen, aus Blättern und Zweigen und Steinen, und ich habe das Eichenblatt dazugelegt, mein Holzstück und den Kieselstein, den ich immer mit mir herumtrage und der vom Strand in Amroth stammt. Ich konnte spüren, dass es funktionierte, ich kam mir vor wie unter einem Schirm. Erst habe ich die Briefe gelesen. Ich wollte wissen, was sie mir geschrieben hatte. Ich hätte es genauso gut lassen können. »Du warst mir schon immer am ähnlichsten«, war das Einzige, was sie zu dem sagte, was ich getan hatte. Schön und gut, ein Schneemann ist einer Wolke auch ähnlicher als ein Klumpen Kohle, aber viel gemeinsam haben sie alle nicht. Ich faltete die Briefe zu einer Pagode und zündete sie an. Die Bilder habe ich mir nicht angeschaut, aber ein paar waren es schon.
Die Asche trat ich auseinander, bis nichts mehr davon übrig war. Dann nahm ich meinen Kiesel, hielt ihn gegen den Mond (ein Dreiviertelmond; keine Ahnung, ob er dafür geeignet ist) und versuchte, ihn mit einem Schutzzauber gegen schlechte Träume zu belegen. Ich weiß nicht, ob es geklappt hat. Dann nahm ich das Blatt und das Holzstück an mich.
Ich kletterte wieder hinein und ließ mich auf mein Bett fallen. Alle anderen schliefen. Das Mondlicht fiel Lorraine aufs Gesicht. Sie sah eigenartig schön aus und auch irgendwie weit weg, als wäre sie tot, als wäre sie schon seit Jahrhunderten tot und hätte sich in eine Marmorstatue auf ihrem Grab verwandelt.
Das einzige Problem damit ist: Wenn sie mir weiterhin Briefe schickt, muss ich sie auch immer wieder verbrennen. Vom Standpunkt der Schule aus ist spät in der Nacht eindeutig sicherer, denn dann sind nicht so viele Leute in der Nähe.
Deirdre hat mir ein leckeres Brötchen geschenkt – ein glasiertes Brötchen von Finefare, richtig klebrig und süß. Sie werden in Sechserpacks verkauft, also
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