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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Walton
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es mit den Äpfeln vorbei, und im Laden von Mrs Lewis liegen bestimmt schon leuchtend orangene Mandarinen in ihrer faszinierenden violetten Verpackung mit dem spanischen Aufdruck. (Wenn ich sie nur riechen könnte! Vielleicht an einem Samstag.) Aber die Dunkelheit im Winter ist mir immer mehr zuwider. Mittags darf ich nicht rausgehen, dabei ist das die einzige Zeit, wo es einigermaßen hell ist, auch wenn der Himmel immer grau ist und es meistens regnet.
    Die Tage werden auch wieder länger. Der Frühling wird kommen. Aber die Wartezeit bis dahin kommt mir schrecklich lang vor.

Freitag, 7. Dezember 1979
    Heute kam der Brief mit dem ausgefüllten Formular von meinem Vater. Wird aber auch Zeit! Also kann ich nächste Woche hingehen.
    Ich habe über den Buchclub nachgedacht und mich gefragt, wer davon zu meiner Karass gehört. Der wunderschöne Junge? (Ich muss seinen Namen herausfinden.) Er hat mich angeschaut, als würde er mich ernst nehmen. Diese Augen! Und selbst wenn er bei einigermaßen grundsätzlichen Dingen manchmal schiefliegt, hört er auf jeden Fall zu. Ich verspüre einen leichten Schauder, wenn ich daran denke, wie er mich angeschaut hat. Was ist mit den drei in den violetten Blazern, die in meinem Alter sind? (Ihre Namen muss ich auch herausfinden, obwohl das nicht ganz so wichtig ist.) Die würde ich auch sehr gerne besser kennenlernen, schließlich interessieren sie sich für Bücher. Das nächste Mal werde ich versuchen, mit ihnen zu sprechen. Harriet? Zu ihr habe ich keinen richtigen Draht bekommen, aber sie ist äußerst intelligent. Brian? Keith? Schwer zu sagen. Die anderen, die ich kaum kennengelernt habe? Dafür ist es noch zu früh. Greg? Vielleicht. Miss Carroll? (Alison ...)
    Als ich ihren Namen schrieb, habe ich zu ihr hinübergeschaut. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch und versieht Bücher mit Aufklebern. Auch wenn sie gesagt hat, dass sie ihre Kunden glücklich machen möchte – zum Buchclub hat sie mich wegen der Magie begleitet. Da bin ich mir sicher, und ich fühle mich deshalb ein wenig unwohl. Magie bedient sich der Dinge, die bereits existieren, also mag sie mich wahrscheinlich ein wenig. Schließlich hat sie mir Der Staat besorgt. Allerdings kann Magie auch im Nachhinein etwas bewirken. Sie kann dafür sorgen, dass Dinge bereits geschehen sind. Vielleicht hätte sie den Platon nicht bestellt, wenn ich die Finger von der Magie gelassen hätte. Ich weiß nicht, ob sie mich wirklich nett findet, oder ob die Magie ihr das eingegeben hat. Wenn sie mich eigentlich gar nicht mag, wie kann ich sie dann mögen? Wie soll das dann irgendetwas bedeuten?
    Das gilt natürlich auch für die anderen. Ist es wirklich eine Karass, wenn ich Magie angewandt habe? Das ist wie mit dem Bus – da würde ich das Leben all dieser Leute verändern, nur damit der Bus dann eintrifft, wenn ich auf ihn warte. Allerdings noch in weit größerem Maßstab, wenn ich andere dazu bringe, mich zu mögen.
    Ich habe darüber nicht gründlich genug nachgedacht. Mein Vorstellung von einer Karass war zu abstrakt. Mir ist nicht bewusst gewesen, wie sehr ich dabei andere Leute manipuliere. Ich kannte sie nicht einmal, und habe es trotzdem getan.
    Hat es so angefangen? Bei meiner Mutter, bei Liz?
    Wenn ich nur mit Glorfindel darüber reden könnte oder mit irgendjemand anderem. Ich weiß nicht, ob er mich verstehen würde, aber bei ihm ist es am wahrscheinlichsten. Ich habe keine Ahnung, warum die Feen hier so unfreundlich sind – oder eher gleichgültig. Sie müssten sich doch inzwischen an mich gewöhnt haben. Wenn ich nach Weihnachten nach Hause fahre, werde ich ihn suchen und mit ihm reden, komme, was da wolle.
    Ist es grundsätzliche böse, Magie einzusetzen? Oder nur, wenn man auf den eigenen Vorteil aus ist? Soll ich mich meiner Mutter völlig schutzlos ausliefern? Oder war es nur falsch, die Karass heraufzubeschwören, und der Schutzzauber war in Ordnung? Oder – eine Falle, in die man bei Magie immer tappen kann – wäre das alles so oder so passiert, und ich glaube nur, dass die Magie der Auslöser war? Nein, dafür liegt alles zeitlich zu dicht beieinander. Es war meine Karass-Magie, und ich glaube, dass der Buchclub (der sich seit Monaten trifft) ohne mich gar nicht existieren würde. Vielleicht wäre Harriet – die älteste der Gruppe – gar nicht geboren worden, vielleicht hat sie nur deshalb sechzig Jahre oder länger gelebt, damit es den Buchclub geben und ich eine Karass haben kann, um über Die Geißel

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