In einer anderen Welt (German Edition)
Pistole geschossen. »Drei Schwestern, Mama und Papa, vier Großeltern, zwei Tanten und ein Onkel und vier Vettern und Basen, eine davon noch ein Baby. Für sie habe ich einen Teddy. Und du?«
Ich zögerte. »Dieses Jahr ist alles anders. Mein Großvater, Tantchen Teg, noch eine Tante, drei Kusinen, mein Vater, dann wohl noch seine Schwestern – keine Ahnung, was ich denen schenken soll.«
»Was ist mit deiner Mutter?«
»Der schenke ich bestimmt nichts«, zischte ich.
»Ach, so ist das?«, sagte sie, obwohl ich keine Ahnung hatte, was sie damit meinte.
»Oh, und dann noch Sam.« Den hätte ich fast vergessen. »Aber Sam ist Jude, und ich weiß nicht, ob ein Weihnachtsgeschenk da angemessen ist.«
»Wer ist Sam?«, fragte sie mit vollem Mund.
»Der Vater von meinem Vater.«
»Dein Großvater also.«
»Mehr oder minder.«
»Bist du dann auch Jüdin?«
»Nein. Offenbar muss man eine jüdische Mutter haben, um Jüdin zu sein.«
»Ich glaub nicht, dass Juden Weihnachten feiern. Wahrscheinlich ist es besser, du schenkst ihm was richtig Tolles zum Geburtstag«, riet sie mir.
Ich nickte. »Aber für Miss Carroll sollte ich etwas kaufen, sie ist wirklich nett zu mir, sie hat mich zum Clubtreffen begleitet und mir extra Bücher bestellt.«
»War das die Frau neben dir? Sie war sehr schweigsam. Wer ist sie denn?«
»Die Schulbibliothekarin. Normalerweise wird sie mich nicht begleiten, ich kann mit dem Bus kommen, und Greg bringt mich nach Hause.«
Janine dachte nach und kaute. »Dann solltest du auch etwas für Greg besorgen«, sagte sie schließlich. »Aber das ist einfach. Er mag dunkle Schokolade. Du könntest ihm eine Schachtel Black Magic kaufen oder so was.«
»Ein Buch ist für einen Bibliothekar wahrscheinlich nicht das Richtige.«
»Das hieße Eulen nach Athen tragen.« Janine lachte. »Miss Carroll kannst du doch auch was Süßes schenken. Du hast bestimmt viel Geld.«
»Ja, im Moment schon«, erwiderte ich, bevor mir bewusst wurde, was ich da sagte. »Ich bin nicht – ich weiß, ich gehe auf die Arlinghurst, aber das heißt nicht, dass ich reich bin. Ganz im Gegenteil. Mein Vater bezahlt das Schulgeld, oder eigentlich seine Schwestern. Sie sind reich und furchtbar eingebildet. Meine Familie, meine richtige Familie stammt aus Südwales, und sie sind alle Lehrer.«
»Warum haben dich deine Tanten dann nach Arlinghurst geschickt?«
»Die Verwandten meines Vaters zähle ich eigentlich nicht zu meiner Familie«, sagte ich. »Für mich klingt es total seltsam, wenn du sie meine Tanten nennst oder Sam meinen Großvater.« Ich biss in mein Brötchen und spürte, wie mir der Honig über die Zunge lief. »Sie zahlen mir die Schule, damit sie mich los sind, glaube ich. Sie wissen, dass Daniel sich eigentlich um mich kümmern sollte, und so müssen sie mich wenigstens nicht allzu oft sehen. Aber sie möchten, dass ich an Weihnachten zu ihnen komme, was ich wirklich nicht verstehe. Ich würde viel lieber zu Tantchen Teg gehen. Aber das wollen sie nicht.«
»Darauf wäre ich nie gekommen – ein Internat als Abladeplatz«, sagte sie und leckte sich den Honig von den Lippen.
»Genau das ist es«, sagte ich. »Ich finde es schrecklich. Aber mir bleibt keine andere Wahl.«
»Du könntest es abbrechen, wenn du nächstes Jahr sechzehn wirst«, sagte sie. »Und dir einen Job suchen.«
»Daran hab ich auch schon gedacht. Aber ich möchte auf die Universität gehen, und ohne Abschluss geht das nicht.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Den könntest du doch nebenher machen. Das macht Wim jedenfalls.«
»Wer ist Wim?«
»Wim ist der langhaarige Scheißkerl, der dir am Dienstagabend gegenübersaß. Er ist von der Schule geflogen, von unserer Schule, der Fitzalan, und jetzt arbeitet er im Krankenhaus und macht nebenher seinen Collegeabschluss.«
»Er ist ein Scheißkerl?«, fragte ich enttäuscht. So umwerfend, wie er aussah, schien das unmöglich.
Sie senkte die Stimme, obwohl sich niemand in Hörweite befand. »Ja, das ist er. Mir ist nicht entgangen, wie du ihn angeschaut hast, und er sieht echt gut aus, aber er ist ein hinterhältiger Scheißkerl. Er ist von der Schule geflogen, weil er ein Mädchen geschwängert hat, und es heißt, sie musste abtreiben lassen. Deshalb hab ich auch mit Pete Schluss gemacht, weil er immer noch mit Wim befreundet ist und behauptet hat, Ruthie sei daran schuld. Das ist das Mädchen, Ruthie Brackett.«
»Wie ist sie denn?«
»Ganz nett. Nicht so klug wie Wim, und sie
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