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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Walton
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die ihr, wie ich jetzt bemerkte, einen Platz freigehalten hatten. Ich empfand ... nicht unbedingt Eifersucht, aber es versetzte mir schon einen Stich, als ich das sah.
    Dann begann Harriet, über Le Guin zu sprechen. Sie redete etwa fünfzehn oder zwanzig Minuten lang. Im Anschluss durfte jeder seine Meinung sagen. Ich redete länger, als ich hätte reden sollen. Das war mir sogar in dem Moment bewusst, doch ich konnte mich einfach nicht bremsen. Unterbrochen habe ich niemanden, was unverzeihlich gewesen wäre, aber ich habe mich nicht genug zurückgehalten, um die anderen zu Wort kommen zu lassen. Miss Carroll schwieg die ganze Zeit. Der wunderschöne Junge sagte etwas sehr Scharfsinniges über Die Geißel des Himmels . Einer der Männer, Keith, glaube ich, sagte, das Buch hätte ihn an Philip K. Dick erinnert, was völliger Unfug ist, und der wunderschöne Junge erwiderte, dass es zwar gewisse oberflächliche Gemeinsamkeiten gäbe, man Le Guin und Dick aber nicht miteinander vergleichen könne, denn ihre Figuren seien weit lebensechter als seine. Genau das wollte ich auch sagen! Offenbar gibt es auch eine Verfilmung, die niemand gesehen hat.
    Außerdem hat er gesagt, dass sie, obwohl sie selbst keine Naturwissenschaftlerin ist, in Planet der Habenichtse vielleicht deshalb so gut über den wissenschaftlichen Fortschritt schreibt, weil sie sich darüber im Klaren ist, dass sich Kreativität in allen Bereichen ziemlich ähnlich ist. Er und Brian stimmten überein, dass ihre Schilderungen wissenschaftlicher Vorgänge richtig sind, und die anderen ließen das gelten, also sind sie Naturwissenschaftler oder etwas in der Art. Ich wollte nicht fragen, ich hatte wie gesagt sowieso schon zu viel geredet. Mir fielen immer neue Dinge ein, die ich sagen und fragen wollte, und ich dachte, lass doch erst einmal die anderen zu Wort kommen, und dann fielen mir noch mehr Dinge ein, die ich unbedingt sagen wollte, und schließlich konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Hoffentlich hab ich die anderen nicht allzu sehr gelangweilt.
    Der wunderschöne Junge – ich muss nächstes Mal unbedingt seinen Namen herausfinden – hielt den Blick auf mich gerichtet, wenn ich redete, was ziemlich verwirrend war.
    Die interessanteste Äußerung des Abends kam jedoch von einem der beiden Jungen in den violetten Blazern. Ich hatte gesagt, dass Le Guins Welt deshalb so real sei, weil ihre Figuren so real seien, und er hatte mir zugestimmt, aber die Leute seien so real, weil sie genau die Leute waren, die diese Welten hervorgebracht hätten. Wäre Ged auf Anarres aufgewachsen oder Shevek in Erdsee, wären sie nicht dieselben, der Hintergrund prägte die Menschen, was in der Mainstream-Literatur gang und gäbe ist, aber in der SF eher selten. Das ist völlig richtig, und es ist sehr interessant, und ich konnte nicht anders, ich musste erwidern, dass das wieder auf Die Geißel des Himmels zurückverweist und darauf, was unterschiedlichen Leuten auf unterschiedlichen Welten widerfährt, und ob ein grauer Mensch in einer Welt grauer Menschen grundsätzlich anders war als ein brauner Mensch in einer gemischtrassigen Welt.
    Ich weiß nicht, wann mir das letzte Mal etwas so viel Spaß gemacht hat, und wenn ich nicht befürchten müsste, zu viel geredet zu haben, wäre der Abend ein voller Erfolg gewesen. Eine Sache ist mir allerdings schon öfter aufgefallen: Wenn ich zum ersten Mal etwas sage, scheint mich niemand wahrzunehmen, als könnten sie nicht glauben, dass ich es bin, die da spricht. Mit der Zeit vergessen sie dann, dass sie einem Mädchen im Teenageralter zuhören, und irgendwann stellen sie fest, dass das, was ich sage, durchaus bedenkenswert ist. In dieser Runde war das weit weniger anstrengend als sonst. Schon als ich zum zweiten Mal den Mund aufmachte, schauten mich die Anwesenden nicht mehr mit nachsichtiger Miene an, sondern aufmerksam. Das hat mir gefallen.
    Hinterher fragte Keith, wer noch in das Pub mitkommen wollte. Der wunderschöne Junge sagte ja, und Harriet und Greg auch, aber nicht die Teenager in den Schulblazern, und ich ebenso wenig, denn ich musste in die Schule zurück. Alle verabschiedeten sich von mir, aber ich wurde wieder ganz verlegen und brachte nicht mehr heraus als »auf Wiedersehn« und »bis nächste Woche«.
    Miss Carroll unterhielt sich noch kurz mit Greg, und dann stiegen wir in ihr Auto und fuhren in die Schule zurück. »Du hast nicht oft die Gelegenheit, mit anderen Leuten über Dinge zu reden, die dir

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