In einer anderen Welt (German Edition)
interessiert sich auch nicht für Gedichte und Bücher oder so was. Ich kenne sie nicht besonders gut. Aber ich weiß, dass ein Mädchen nicht alleine daran schuld ist, wenn sie schwanger wird.«
»Wohl wahr«, sagte ich. Ich hatte mein Brötchen aufgegessen, ohne mir dessen bewusst zu sein. »Das ist sehr moralisch von dir, dass du deswegen mit Pete Schluss gemacht hast.«
»Wir sind immer noch Freunde«, sagte sie schnell. »Aber ich geh mit niemandem aus, der eine solche Meinung vertritt.«
»Wie alt ist Wim?«
»Siebzehn. Er hat im März Geburtstag, und dann wird er achtzehn. Halt dich bloß von ihm fern.«
»Ja, klar. Der interessiert sich sowieso nicht für mich.«
»Gut möglich, dass er glaubt, du hast keine Ahnung. Die Mädchen hier wollen nichts mehr von ihm wissen. Außerdem hat er dich letzte Woche ziemlich lange angeschaut. So schlecht siehst du gar nicht aus. Wenn du dir die Haare ein wenig wachsen lässt und etwas Mascara aufträgst vielleicht. Aber nicht Wim zuliebe!«
Ich wollte mich mit einer spitzen Bemerkung revanchieren, als mir wieder einfiel, dass meine Magie vielleicht erst versehentlich dafür gesorgt hatte, dass sich all das ereignete. Das Honigbrötchen lag mir wie ein Stein im Magen, und ich konnte nicht mehr unbefangen reden.
Janine fiel das nicht weiter auf. »Komm mit, ich helfe dir, ein paar Geschenke auszusuchen, wenn du möchtest.«
Wir gingen in die Buchhandlung zurück und dann den Hügel hinauf in einen kleinen Laden, wo ich hübsche indische Seidenhalstücher in unterschiedlichen Farben für Anthea, Dorothy und Frederica kaufte, einen Morgenmantel mit einem Drachen darauf für Tantchen Teg und einen kleinen Messingbriefbeschwerer in Gestalt eines Elefanten für Opa. Schließlich gingen wir zu British Home Stores, wo Janine mir half, einen BH zu kaufen, damit kennt sie sich sehr gut aus. Es gab welche mit Nähten und Spitzen, die mir unangenehm waren, aber wir fanden einen Sport-BH mit einfachen Körbchen und ohne irgendwelchen Firlefanz. Ein Sport-BH – was für ein Witz! Wegen dem Gehstock und so weiter hat sie keinen Ton gesagt, als wäre das völlig normal. Ich weiß nicht, ob sie taktvoll ist oder ob es an der Magie liegt. Oder sie nimmt dergleichen einfach nicht wahr.
Ich musste mich beeilen, um den Bus zu kriegen. Gill saß ganz hinten, aber sie kam nicht zu mir rüber und redete auch nicht mit mir.
Von der Sache mit der Magie einmal abgesehen, die ich jetzt nicht mehr ändern kann, obwohl es mich schon bekümmert, mag ich Janine sehr. Es war wie mit meinen Freundinnen zu Hause einkaufen zu gehen, nur besser, weil sie eine Menge Bücher gelesen hat, die ich auch gelesen habe. Sie würde sich gerne an einen Drachen binden. Sie sagte, sie würde mich beim Clubtreffen wiedersehen, und wenn ich wollte, könnten wir ja nächsten Samstag unsere letzten Weihnachtseinkäufe erledigen. Es ist wirklich nett, den Nachmittag ausnahmsweise mit jemandem zu verbringen, der kein Vollidiot ist. Als ich in den Schlafsaal kam, um meine Sachen in meinen Spind zu tun, hörte ich, wie einige Mädchen »Dussel« riefen, und dann rannte Deirdre an mir vorbei, die Hände vors Gesicht geschlagen.
Ich bin ihr natürlich nachgelaufen, aber ich konnte nicht umhin, sie mit Janine zu vergleichen.
Das mit Wim ist wirklich schade.
Sonntag, 9. Dezember 1979
Wenn die Kirche – wenn die Religion – wenn Jesus, Aslan ... aber ich glaube es einfach nicht. In gewisser Hinsicht ist es bestimmt wahr, aber nicht buchstäblich, sondern im übertragenen Sinn. Und das hilft niemandem. Ansonsten hätte ich wegen ihr einfach zum Pastor gehen und ihm sagen können: »Pastor Price, Sie müssen wegen meiner Mutter etwas unternehmen!« Und er hätte nicht geantwortet: »Eh, was? Was meinst du? Bist du Maureen oder die andere? Wie geht es deiner Großmutter, eh?« Er hätte sich seinen Bischofsstab geschnappt, oder nein, er ist ja kein Bischof, dann eben seinen Amtsstab und wäre losgezogen, um die Dämonen aus ihr auszutreiben. Schwer vorstellbar.
Als ich wieder einmal über Magie nachgedacht habe, ist mir noch etwas viel Schlimmeres eingefallen. Was, wenn alles, was ich mache, alles, was ich schreibe, wirklich alles (und Mor auch) von einer Magie bestimmt ist, die jemand in der Zukunft wirkt? Das Allerschlimmste wäre, wenn meine Mutter dahinterstecken würde, aber ich glaube nicht, dass das möglich ist, denn so viel von dem, was wir getan haben, war direkt gegen sie gerichtet. Aber vielleicht war es
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