In einer anderen Welt (German Edition)
fünf Pfund beiseite. Vielleicht sollte ich auch ein Pfund in ein Seitenfach stecken, nur für den Fall, dass ich das andere Geld ausgebe oder nicht so viel brauche. Außerdem sollte ich vielleicht etwas sparen, falls ich wieder weglaufen muss, nur zur Sicherheit. Es wäre schön, wenn mein Leben so organisiert wäre, dass ich das nicht brauche, aber schauen wir den Tatsachen ins Auge, so weit bin ich noch nicht.
Tantchen Tag lebt in einer kleinen modernen Wohnung in einer gepflegten modernen Siedlung. Ich glaube, sie wurde vor ungefähr zehn Jahren errichtet. Da gibt es eine ganze Reihe kleiner Läden, darunter eine tolle Bäckerei, und sechs Wohnhäuser, alle dreistöckig, mit einer Grasfläche dazwischen. Ihre Wohnung ist in der Mitte. Sie ist – ich fände es furchtbar, da zu leben, meine ich. Es ist alles so neu und so sauber, aber es hat keinen Charakter, und die Zimmer sind alle rechteckig und die Decken viel zu niedrig. Ich glaube, Tantchen Teg ist dorthin gezogen, weil sie sich etwas anderes damals nicht leisten konnte, und weil eine alleinstehende Frau dort sicher ist. Vielleicht wollte sie aber, dass ihre Wohnung ganz anders ist als ihr Zuhause früher, mit modernen Möbeln und ohne Magie. Für sie hatten Magie und Feen logischerweise immer etwas mit meiner Mutter zu tun gehabt, die vier Jahre älter ist als sie. Damit möchte Tantchen Teg nichts zu tun haben, genauso wenig wie mit Liz. Also lebt sie alleine, zusammen mit ihrer wunderschönen, aber furchtbar verwöhnten Katze Persimmon. Persimmon springt durch das Fenster hinaus auf das kleine Vordach über der Haustür und von dort auf den Boden. Zurück kommt sie jedoch nicht auf demselben Weg, sie trippelt die Treppe hinauf und setzt sich maunzend vor die Tür.
Einerseits mag ich die Wohnung, andererseits mag ich sie nicht. Mir gefällt, dass dort alles so sauber und ordentlich ist, mit weichen braunen Sofas von Habitat (die für mich zu niedrig sind, vor allem heute) und blau lackierten Tischen. Ihr Herd ist äußert effizient. Als sie die Wohnung gekauft hat, kurz bevor Oma starb, waren wir beide furchtbar beeindruckt, wie modern sie ist. Aber mir sind alte Sachen lieber, ich sitze gerne vor einem offenen Kamin in einem Zimmer mit allem möglichen Krimskrams, und ich vermute, dass es Tantchen Teg ähnlich geht, nur würde sie das niemals zugeben.
»Mein« Zimmer hier ist klein, mit einem Bett und einem Regal, in dem Tantchen Tegs Kunstbücher stehen. An der Wand hängen zwei großartige Bilder von Hokusai, die ganz offensichtlich Teil einer zusammenhängenden Geschichte sind. Auf einem sind zwei Japaner zu sehen, die, sichtlich verängstigt, gegen einen riesigen Kraken kämpfen; auf dem anderen bahnen sich die gleichen Männer einen Weg durch ein riesiges Spinnennetz. Ich kenne weder ihre Namen noch ihre Geschichte, aber sie haben tonnenweise Persönlichkeit, und ich liege gerne da, betrachte sie und stelle mir vor, was für Abenteuer sie sonst noch erlebt haben. Mor und ich haben uns oft Geschichten über sie erzählt. Tantchen Teg hat die Bilder in Bath gekauft, zusammen mit der braun-beigen marokkanischen Decke, die im Wohnzimmer hängt.
Während ich hier liege und das schreibe, maunzt Persimmon immer wieder vor der Tür, weil sie in mein Zimmer kommen will. Wenn ich die Tür nicht öffne, hört sie einfach nicht damit auf. Wenn ich aufstehe und zur Tür humpele, jeder Schritt ein kleiner Sieg, stolziert sie herein, mustert mich verächtlich, dreht sich um und geht wieder. Sie ist eine Schildpatt-Tabby mit weißem Kinn und Bauch. Sie sieht Feen – in Aberdare, wo es Feen gibt, hier natürlich nicht. Ich habe beobachtet, wie sie sie mit demselben verächtlichen Blick bedacht hat wie mich, während sie uns misstrauisch im Auge behalten hat, damit wir keinen Unfug treiben. Tantchen Teg hat ein Ölgemälde von ihr gemalt, wie sie vor der marokkanischen Decke liegt – die Farben passen wunderbar zueinander –, und darauf sieht sie aus wie die liebste, bravste Katze in ganz Wales. In Wirklichkeit lässt sie sich dreißig Sekunden lang streicheln, und dann geht sie auf einen los. Persimmon hat mich häufiger gekratzt und gebissen als alle anderen Katzen auf der Welt zusammengenommen, und Tantchen Teg hat oft Kratzspuren am Handgelenk. Trotzdem himmelt sie Persimmon an und redet mit ihr, als wäre sie ein Kleinkind. Jetzt höre ich sie draußen gurren: »Wer ist die Beste? Wer ist die beste Katze auf der Welt?« Vielleicht ist sie, mit ihrer
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