In einer anderen Welt (German Edition)
nicht. Ich möchte nur in Ruhe gelassen werden, vor allem von Leuten wie Ihnen.«
Erreicht habe ich damit nichts, außer dass ich mich lächerlich gemacht habe. Sie ist rot angelaufen, aber ich glaube nicht, dass sie irgendetwas begriffen hat. Wahrscheinlich geht sie nach Hause und erzählt, dass da ein Mädchen so getan hat, als wäre sie ein Krüppel. Solche Leute widern mich an. Wohlgemerkt, die Leute, die auf mich zugestürzt kommen und vor Mitleid überfließen, die genau wissen wollen, was ich denn habe, und die mir über den Kopf streichen, finde ich genauso schlimm. Ich bin ein Individuum. Ich möchte über etwas anderes reden als über mein Bein. Das muss man Oswestry zugutehalten: Dank der englischen Hochmütigkeit passiert mir das dort deutlich seltener. Die Leute, die mich dort danach gefragt haben, ob ich den Stock wirklich brauche und was ich habe, waren Bekannte, Lehrer, Mitschülerinnen, die Freunde der Tanten am zweiten Weihnachtstag, solche Leute eben.
Es dauerte ewig, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Als der Bus vor der Brücke in Pontypridd um die enge Kurve bog, war ich noch immer überhitzt und nervös. Wenn wir es nicht schaffen würden, dachte ich, wenn wir alle in den Tod stürzen würden, dann wäre diese grässliche Frau der letzte Mensch, mit dem ich gesprochen hätte.
Ich habe mit Moira zu Mittag gegessen, vorgeblich der Grund, warum ich heute nach Aberdare gefahren bin. Moira meinte, ich würde so vornehm reden, was absolut entsetzlich ist. Sie sagte nicht »so englisch«, weil sie meine Freundin und ein netter Mensch ist, aber das musste sie auch nicht. Offenbar färbt die Schule auf mich ab. Dabei will ich auf keinen Fall wie die anderen Mädchen klingen! Ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Je mehr ich darüber nachdenke, umso merkwürdiger klingt meine eigene Stimme für mich, dabei war mir das bisher gar nicht aufgefallen, ich habe einfach geredet. Es gibt Unterricht in gewählter Aussprache. Gibt es auch Unterricht, wie man das wieder loswird? Natürlich möchte ich nicht wie Eliza sprechen, aber ich will auch nicht den Mund aufmachen und als Knalltüte aus der Oberschicht klassifiziert werden.
Moira hat ein recht gutes Schulhalbjahr hinter sich. Es war überraschend schwer, etwas zu finden, worüber wir reden konnten. Ich weiß nicht mehr, worüber wir früher geredet haben; nichts Bedeutendes wahrscheinlich, Tratsch, Schule, was wir so zusammen machten. Ohne das ist nicht mehr viel übrig. Leah hat sich von Andrew getrennt, und jetzt geht Nasreen mit ihm, weshalb ihre Eltern am Ausrasten sind. Leah gibt am 2. Januar abends eine Party, also werde ich sie alle dort sehen.
Nach dem Mittagessen bin ich von Moira direkt zum Croggin Bog hinübergestiefelt. Heol y Gwern ist natürlich die einzige richtige Straße, die darüber hinwegführt, aber lange bin ich ihr nicht gefolgt. Der Sumpf – der eigentlich Crogyn heißt – ist ziemlich groß, ein typischer Hochlandsumpf, der sich fast über den ganzen Hügel hinzieht. Sonst durchqueren ihn noch einige ältere Pfade, die allerdings nicht so alt sind wie die Alder Road, aber es gibt sie schon sehr, sehr lange. Ich hätte mir keine unpassendere Jahreszeit aussuchen können, und der Winter ist ausgesprochen nass, aber wirklich gefährlich ist es nicht, wenn man weiß, wohin man will, und wenn nicht, folgt man eben den Erlen. Mor und ich haben uns im Croggin Bog einmal ganz furchtbar verirrt, und wir haben nur wieder rausgefunden, weil wir die Erlen wiedererkannt haben. Jedenfalls ist das nicht wie Treibsand, es ist nur nass und matschig. Die Leute haben mehr Angst davor, als angemessen ist. Kurz nachdem Mor gestorben ist, bin ich auch einmal in den Sumpf gegangen, um mich absichtlich zu verirren, aber die Feen haben mir wieder rausgeholfen. Es heißt, Marschlichter, die sogenannten Irrwische, würden einen in die Irre führen und in den schlimmsten Teil des Sumpfs hinein, aber damals führten sie mich gezielt zur Straße unmittelbar in der Nähe von Moiras Haus. Ich kam tropfnass angelaufen, und Moiras Mutter hat mich unter die Dusche gestellt und mir Kleider von Moira gegeben, bevor sie mich nach Hause schickte. Ich befürchtete schon, ich würde schrecklich Ärger kriegen, aber Liz stritt sich gerade mit Opa und bekam nichts mit.
Es gibt eine schöne Geschichte darüber, wie diese Häuser gebaut wurden. Die ersten wurden entlang der Heol y Gwern errichtet, und dann wurden ein paar Straßen angelegt, die von dort in den
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