In einer anderen Welt (German Edition)
Zeichnung und ihrer Haltung, eine der schönsten Katzen auf der Welt, aber um die beste zu sein, müsste sie dringend ihre Manieren ändern.
Morgen fahren wir Opa besuchen. Tantchen Teg muss nicht in die Schule, nicht wie das letzte Mal. Es wird nicht leicht sein, die Zeit zu finden, um nach den Feen zu suchen, aber über Neujahr geht sie ein paar Tage weg, dann sollte es klappen. Tantchen Teg ist nicht alt, sie ist erst sechsunddreißig. Sie hat einen Freund, einen heimlichen Freund. Wirklich tragisch, das Ganze, wie in Jane Eyre . Er ist mit einer Wahnsinnigen verheiratet, und er kann sich nicht von ihr scheiden lassen, weil er Politiker ist, und außerdem fühlt er sich ihr verpflichtet, weil er sie geheiratet hat, als sie jung und hübsch und voller Lebensfreude war. Er war sogar Tantchen Tegs Jugendliebe und hat sie auf dem Heimweg von der Party zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag geküsst. Dann ist er auf die Universität gegangen, und dort hat er seine verrückte Frau kennengelernt, die damals noch nicht verrückt war, und er hat sie geheiratet, und erst später wurde ihm klar, dass er in Wirklichkeit Tantchen Teg liebte, und inzwischen war auch nicht mehr zu übersehen, dass seine Frau verrückt war. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Version genau der Wahrheit entspricht. Der Vater seiner Frau war zum Beispiel jemand, der ihm helfen konnte, einen Sitz im Parlament zu bekommen. Ich frage mich, ob da nicht ein gewisses Eigeninteresse mitspielte. Und würde es wirklich seine Karriere ruinieren, sich scheiden zu lassen und wieder zu heiraten? Es wäre doch viel schlimmer, wenn herauskäme, dass er ein Verhältnis mit Tantchen Teg hat. Sie behauptet allerdings, dass sie glücklich ist, so, wie es ist, dass sie gerne mit Persimmon alleine lebt und hin und wieder ein paar Tage mit ihm verbringt.
Ich durfte ihr helfen, das Abendessen zuzubereiten. Was für eine Freude es doch ist, Pilze zu putzen und Käse zu reiben, wenn man es schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr getan hat! Und etwas zu essen, das man selbst gekocht hat, oder jedenfalls dabei geholfen, schmeckt immer besser. Tantchen Teg macht den besten mit Käse überbackenen Blumenkohl auf der Welt.
Außerdem ist es toll, sich ein wenig zu entspannen und nicht dauernd infrage gestellt zu werden.
Samstag, 29. Dezember 1979
Viel ist von diesem Jahr nicht mehr übrig. Gut. Es war ein scheußliches Jahr. Vielleicht wird 1980 besser. Ein neues Jahr. Ein neues Jahrzehnt. Ein Jahrzehnt, in dem ich erwachsen werde und hoffentlich das erreiche, was ich mir vornehme. Was die 80er Jahre wohl bringen werden? An 1970 kann ich mich gerade mal so erinnern. Ich weiß noch, wie ich in den Garten hinausgegangen bin und dachte, jetzt ist es 1970, und das klang, als würden gelbe Flaggen gehisst, und ich sagte das zu Mor, und sie stimmte mir zu, und dann sind wir mit ausgestreckten Armen durch den Garten gerannt und haben so getan, als könnten wir fliegen. 1980 klingt irgendwie volltönender, und kastanienbraun. Schon seltsam, dass Worte klingen, als hätten sie Farben. Niemand außer Mor hat das jemals begriffen.
Opa gefällt der Elefant, und Tantchen Teg hat sich wirklich über den Morgenmantel gefreut. Sie hat ihr Geschenk erst im Fedw Hir aufgemacht, wo wir an Opas Bett eine kleine Weihnachtsfeier abhielten. Mir haben sie einen großen roten Pullover mit Polokragen geschenkt und eine »Seife an der Schnur« und einen Büchergutschein. Von den Ohrringen habe ich ihnen nichts erzählt, sonst regen sie sich nur unnötig auf. Das Gericht hat bereits festgestellt, dass sie keine Ansprüche auf mich haben – die Tatsache, dass sie mich aufgezogen haben, zählt rein gar nichts. Jede Mutter, egal wie böse, und jeder Vater, egal wie abwesend, so lautet der Urteilsspruch, und Tanten und Großeltern spielen da keine Rolle.
Opa findet es furchtbar im Fedw Hir, das ist offensichtlich, und er möchte unbedingt nach Hause, aber ich weiß nicht, wie wir das hinkriegen sollen, wenn er nicht alleine gehen kann. Tantchen Teg hat von Leuten erzählt, die zu ihm nach Hause kommen und ihm beim Aufstehen helfen und ihn auch ins Bett bringen würden. Ich weiß nicht, was das kostet. Ich weiß nicht, wie wir das in die Wege leiten können. Aber das Heim ist wirklich eine Katastrophe. Er soll dort regelmäßig seine Therapie machen, aber anscheinend hilft ihm das nichts. So viele von den anderen warten offenbar nur darauf zu sterben. Sie sehen alle so hoffnungslos aus. Und anfangs tat er
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