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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Walton
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Sumpf hineinführten, denn dort war eine richtige Siedlung geplant. Aber das Problem war – der Sumpf wollte die Häuser nicht haben. Opa, der sich noch daran erinnern kann, hat mir erzählt, die Fundamente wären am Donnerstag vor dem Karfreitag fertiggestellt worden, und als die Arbeiter am Dienstag nach dem Ostermontag zurückkamen, wären sie alle eingesunken gewesen. Aber ich habe auch eine andere Version gehört, und zwar, dass die Häuser schon fertig gewesen wären, und nach dem Wochenende hätten nur noch die Schornsteine aus dem Sumpf rausgeschaut. Ha! Danach wurde dort oben nie wieder gebaut, stattdessen wurde die Siedlung in Penywaun errichtet, worüber ich sehr froh bin. Mir gefällt der Sumpf so, wie er ist, mit kleinen verkrüppelten Bäumen, dem hohen Gras und Schilf und den seltenen Blumen und den Sumpfhühnern auf den stehenden Gewässern und den Kiebitzen, die langsam davonflattern, um einen von ihren Nestern wegzulocken.
    Heute war ich auf der Suche nach den Feen, und im Croggin treiben sich oft Feen herum. Aber ich fand nirgendwo eine Spur von ihnen, und selbst als ich am Fluss aus dem Sumpf hinaustrat und Ithilien erreichte, konnte ich keine entdecken. Ich schaute in Osgiliath nach und in all den anderen Feenruinen im Kar, während ich in die Stadt zurückmarschierte, auf dem langen Weg über die »Dramroad«. Dort stehen eine alte Schmelzerei und ein paar baufällige Hütten – jedenfalls glaube ich, dass das früher Hütten waren. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass hier einmal reger Betrieb herrschte. Hin und wieder erhaschte ich aus den Augenwinkeln einen Blick auf eine Fee, aber keine davon blieb stehen oder redete mit mir. Ich musste daran denken, wie Glorfindel nach Halloween unauffindbar gewesen war. Das war früher auch manchmal passiert, dass wir sie nicht finden konnten, dass sie sich vor uns versteckten. Uns haben sie dagegen immer gefunden. Ich versuchte sie herbeizurufen, aber ich wusste, dass das sinnlos war. Sie haben keine Namen, so wie wir. So sehr ich mir auch wünschte, dass das so funktionierte wie in Erdsee, wo Namen die Macht haben, jemanden herbeizuholen – hier spielten Namen keine Rolle, nur Dinge. Ich glaube, ich weiß, wie ich Glorfindel auf magische Weise rufen könnte, aber dann würde ich Magie einsetzen, ohne in Gefahr zu sein, also ließ ich den Gedanken sofort wieder fallen.
    Obwohl es ziemlich kalt war, setzte ich mich hin, damit der Schmerz in meinem Bein ein wenig nachließ, nur falls sie das von mir fernhielt. So schlimm war er heute aber gar nicht. Außerdem lag es wahrscheinlich nicht daran. Lange konnte ich nicht sitzen bleiben, das war zu unbequem, und der Wind brachte auch etwas Regen. Durch den Ort zu gehen, war wirklich deprimierend, denn viele Läden, in denen früher Kundschaft ein- und ausging, waren jetzt verbarrikadiert. Und es werden immer mehr. Wenn das Rex erst zumacht, gibt es in Aberdare überhaupt kein Kino mehr. Überall hängen ramponierte »Zu verkaufen«-Schilder. Auf den Straßen sammelt sich der Müll, und selbst der Weihnachtsbaum vor der Bibliothek macht einen elenden Eindruck. Ich bekam noch den Bus nach Cardiff, um rechtzeitig zum Abendessen bei Tantchen Teg zu sein.
    Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn ich sie nicht finde. Ich muss wirklich mit ihnen reden.

Dienstag, 1. Januar 1980
    Frohes neues Jahr!
    Es war schön, heute Morgen in Opas Haus aufzuwachen, ganz für mich.
    Tantchen Teg ist über Neujahr mit ihrem Freund irgendwohin gefahren, was sie eigentlich immer macht. Ich hätte mitkommen können, sie hat mich gefragt, aber ich wollte nicht. Ich wäre nur im Weg gewesen. Gestern sind wir gleich morgens nach Aberdare gefahren und haben Opa besucht, und dann ist sie los, und prompt hatte Tantchen Flossie mich in ihren Klauen. Eigentlich wollte ich nach den Feen suchen, aber stattdessen fand ich mich auf ihrer Silvesterparty wieder. Ich musste mich ein wenig zwingen, gute Laune zu mimen, und ich wäre gerne lange vor Mitternacht ins Bett gegangen, aber ich hatte schon schlimmere Tage. Immerhin sind dabei vier Pfund fünfzig in Clenigs zusammengekommen und sechs Schokoladentaler. Um Mitternacht habe ich ein halbes Glas Champagner getrunken, der mir besser schmeckte als der von Daniel. Vielleicht gewöhnt man sich ja einfach daran.
    Jetzt stehe ich auf und richte mir Frühstück, und dann werde ich noch einmal versuchen, die Feen zu finden. Schließlich ist Neujahr, da habe ich vielleicht mehr Glück.

Mittwoch, 2.

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