In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
seinen Besuch mit seinem Morgenspaziergang kombiniert, den er wegen seines Herzens unternahm. Marita würde schon Kaffee trinken und mit dem Fotografen scherzen, während sie sich das Haar machen ließ. Er sah natürlich, dass sie ihren eigenen Fototermin deshalb so früh wahrnahm, damit sie um acht Uhr vor dem Krankenhauseingang auftauchen und sich lächelnd und dankbar der Medienmeute stellen konnte, die ihr in ihrer Tragödie solche Anteilnahme entgegenbrachte.
Die Journalistenschar vor dem Tor von Strathearn hatte sich ebenfalls eingerichtet; sie saßen in ihren Wagen, tranken einen Coffee-to-go in der klirrenden Kälte und glaubten offensichtlich, es würde sich lohnen. Er fragte sich, wer sie auf diesen Gedanken gebracht hatte.
Der Nebel hing weiterhin dicht am Boden so wie schon zum Zeitpunkt des Überfalls auf Itsy. Was er vom Rasen sehen konnte, war deutlich entfernt von den Furchen, wo Itsy und Bobby die Schubkarre umgekippt hatten. Der kleine Tony hatte die Stelle ausgebessert und neuen Rasen gesät, der bislang jedoch nicht gesprossen war.
Tony und Bobby waren mitten in der Nacht herüber ins Haus gekommen. Schweigend hatten sie mit Iain Tee getrunken und Toast gegessen, der ihm allerdings im Hals stecken geblieben war. Bobby hatte in der Ecke gesessen wie ein großes unglückliches Kind, das die Anspannung der anderen spürt, aber nichts zu sagen weiß, was helfen könnte. Zwischen Bobby und Itsy hatte ein brüderliches Verhältnis bestanden, so dass Tony und sie für ihn gewissermaßen die Familie bildeten, die er nie gehabt hatte. Es war schwierig, genau zu erraten, was er dachte, so selten, wie er sprach. Seine Gefühle hatten kein Ventil.
Wenn Marita fotografiert wurde und er hier war, dann wäre Itsy allein, wurde Iain plötzlich bewusst. Er spürte, wie sich hinter seinen Lidern Tränen bildeten, und die Trauer schüttelte ihn. Den Gedanken, Itsy zu verlieren, konnte er nicht ertragen.
Mit einem Seufzer griff er nach den Wagenschlüsseln.
Gordon Wyngate holte tief Luft und klopfte an Quinns Tür. Man wusste nie, wie die DCI auf schlechte Neuigkeiten reagierte; es war schon vorgekommen, dass sie den Überbringer der Nachricht leiden ließ. Heute Morgen benahm sich allerdings das ganze Team eigenartig still und geheimniskrämerisch. Es gab keine Scherze und keine Sticheleien. Irgendetwas war da im Busch, aber glücklicherweise wusste er davon nichts.
»Ja!«, knurrte Quinn.
Wyngate trat ein und hatte sich seine Worte schon zurechtgelegt. »Ich dachte, das hier würden Sie gern wissen, ehe die Besprechung losgeht, Ma’am – Harry und Ronnie sind dort draußen. Wir haben außerdem Anweisung von der Zentrale, ihnen mehr entgegenzukommen …«
Quinn stöhnte.
»Und Towerhill Magazines in London hat zurückgerufen. Sie …«
»… haben den Auftrag an einen hiesigen Fotografen weitergegeben, an Ronnie Gillespie. Ja, ich weiß.«
»Schon, aber wie wir wissen, hatte das Team von der Zeitschrift die Schlüssel von Mr. Bannon, Ma’am. Ronnie könnte Gelegenheit gehabt haben, sie zu kopieren.«
»Ronnie Gillespie steht auf meiner heutigen To-do-Liste für Sie, Wyngate. Schauen Sie sich seinen Hintergrund an. Wo hat er sich herumgetrieben? Freundinnen? Familie? Ich weiß, er hat keine Vorstrafen, trotzdem können Sie ein bisschen herumschnüffeln. Und behalten Sie es erst einmal für sich.« Sie stand auf und strich ihren marineblauen Rock glatt. »Gut, kommen Sie mit.«
Wyngate folgte ihr in den Hauptraum. Und was er sah, bildete er sich nicht ein: Das gesamte Team stand höflich da und wartete auf das, was sie zu sagen hatte.
»Gut, fangen wir vorn an. Wir behandeln den Fall Ishbel Simm als Überfall, obwohl bislang der letzte Beweis dafür fehlt, dass es einer war. Das müssen wir noch abwarten. Die Proben, die im Krankenwagen genommen wurden, wurden analysiert, und wir sollten die Ergebnisse jeden Moment hereinbekommen. Auch von dem Blut, das sich am Schal befand, den Costello unter Itsys Kopf gefunden hat. An dem Schal wurden außerdem Spermaspuren entdeckt, und wir warten auf das DNA -Profil. Sie gehören nicht Kennedy – wir wissen das aus einem ersten Vergleich –, aber es bleibt unbekannt, von wem sie stammen. Die vor der OP genommene Probe aus Itsys Mund enthält offensichtlich eine faserige Substanz, die ebenfalls analysiert wird. Unter den Fingernägeln fanden sich vor allem Erde und Hautzellen von ihrem Schwager. Blut und Haar an dem Stein gehören ihr. Wir warten auf die
Weitere Kostenlose Bücher