In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Lunge, ein tiefes Rasseln, das unter dem Wasser gedämpft wurde, ein leichtes Kribbeln in der Kehle, als die Luft ihr zu entfliehen suchte, ein Druck, der sich aufstaute, ein Drang zu atmen. Sie presste die Lippen aufeinander und hielt alles zurück.
Nun drückte sie die Augen fester zu. Schmerz wie spitze Nadeln im Kopf, das Hirn pulsierte wegen des fehlenden Sauerstoffs, ihr Herz klopfte schneller und schneller und lauter und lauter.
So also war sie.
Eigenartig, dass sie noch nie darüber nachgedacht hatte.
Eine Blondine in marineblauer Wollhose und passendem Twinset öffnete die Tür und sorgte kurz für Verwirrung, bis die beiden sich erinnerten, dass es in einem Haus von dieser Größe Personal geben müsste. Sie lächelte und bot dabei perfekte Zähne zur Schau. Dabei erweckte sie nicht im Mindesten einen genervten Eindruck, sondern öffnete die Tür weiter, strich sich das kurze Haar hinter das Ohr und blickte über sie hinweg, als würde sie nach einer dritten Person suchen. Dann runzelte sie leicht die Stirn und bat sie mit einer Handbewegung herein, ehe das Lächeln zurückkehrte. Sie hatte nicht gefragt, wer sie waren, hatte nicht um ihre Dienstausweise gebeten, und sie war ganz eindeutig nicht überrascht, sie zu sehen.
Während sie eintraten, fiel Quinn auf, dass die Blondine älter war, als sie zunächst gedacht hatte – eher Ende dreißig als Ende zwanzig, trotz der Modelfigur und der makellosen Aufmachung. Quinn folgte Anderson über den Teppichboden der riesigen Eingangshalle. Anderson war durchaus von der hohen verzierten Decke beeindruckt, gleichzeitig fühlte er sich wie auf einem Filmset, als habe er nur die Vision eines Regisseurs vom Aussehen einer schottischen Villa betreten. Alles war ein wenig zu perfekt und wirkte fast wie ein Haus, in dem eigentlich niemand wohnte.
Sie blieben unten vor einer großen Holztreppe stehen, die mit dickem Axminster-Teppich belegt war. Eine weitere Treppe führte abwärts – zum Gartenniveau, vermutete Anderson. Dieses Haus war früher für seinen wunderschönen Garten berühmt gewesen.
»Ich bin DCI Quinn, und dies ist DI Anderson …«, sagte Quinn schließlich zu der Frau.
»Schön, dass Sie da sind.« Die Frau lächelte und warf nicht einmal einen Blick auf den Dienstausweis. »Iain ist sofort bei Ihnen. Wir haben Sie schon erwartet.«
»Wieso?«, fragte Quinn, die dieser Empfang auf dem falschen Fuß erwischte.
»Das Tor hat einen Sensor aus Sicherheitsgründen. Niemand kommt herein, ohne dass wir es bemerken. Das ist sehr gut, denn bei diesem Nebel liefern die Kameras keine brauchbaren Bilder.«
»Aber woher wussten Sie, dass wir es sind?«
»Na ja, ist ja nicht zum ersten Mal, oder?«
Quinn nickte langsam. »Und Sie sind …?«
»Diane Woodhall. Ich bin Maritas persönliche Assistentin.«
»Also haben Sie eine Videoüberwachung?«
»Ja. Bei so wichtigen Menschen wie Mr. und Mrs. Kennedy kann man nicht zu vorsichtig sein, nicht wahr? Autos und Fußgänger müssen klingeln, wenn sie hereinkommen oder das Grundstück verlassen.«
»Wir nicht?«
»Doch, aber der Sensor am Tor hat mich von Ihrem Eintreffen unterrichtet, und wir haben Sie ja erwartet. «
Erneut nickte Quinn verständnisvoll. Vermutlich hatten sie Itsy als vermisst gemeldet, aber der Bericht war wohl nur bis nach Partick Central gelangt und nicht weiter.
»Vermutlich ist sie noch nicht gefunden worden?« Dianes Stimme ließ sich keinerlei Sorge anmerken. »Sie ist eine ganz Wilde. Ich glaube, sie betrachtet es als Herausforderung, vom Grundstück zu verschwinden. Am besten hätten wir ihr eine elektronische Fessel an den Knöchel machen sollen … Ach, da ist ja Mr. Kennedy schon. Die Polizei aus Partick«, verkündete sie nicht ganz richtig.
Quinn ergriff die Initiative. »Guten Abend, Mr. Kennedy. DCI Quinn.« Jetzt, da sie ihm gegenüberstand, musste Quinn zugeben, dass sie ihn sofort erkannte – einer dieser großen, starken Männer mit braunem, grau meliertem Haar und freundlichem, offenem Gesicht. Seit seiner Heirat mit Marita hatte sie sein Bild oft in den Klatschspalten gesehen. Er musste inzwischen fünfzig sein, so alt wie sie selbst, ging es ihr durch den Sinn.
Er schüttelte ihr herzlich die Hand. »Ich glaube, wir sind uns schon einmal über den Weg gelaufen, aber ich würde lügen, wenn ich behauptete, ich wüsste, wo. Solche Angelegenheiten überlasse ich meist Marita. Gesichter kann ich mir überhaupt nicht merken.« Er wandte sich Anderson zu und zog
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