In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
bewunderte die hübsch manikürten Zehen, die rote Farbe, die durch den Schaum zu sehen war, welcher an ihrem schlanken Spann entlangfloss. Sie glitt nach unten, streckte den Fuß zu den Spiegelkacheln am Ende der Badewanne aus und wischte mit dem großen Zeh herum, bis ihr Gesicht erschien, die perfekten Züge und die gewölbten Augenbrauen, die von nassem dunkelrotem Haar umrahmt wurden. Als sie blinzelte, rann ein Tröpfchen Wasser vom Auge die Wange hinab. Sie wischte es fort und ließ sich in den Schaum zurücksinken.
Dort lag sie unter Wasser, lauschte ihrem eigenen Herzschlag und ließ ihre Gedanken schweifen, die sich wie Nebel über ihr Gehirn senkten. Dann hörte sie durch das Wasser, wie die Tür geschlossen wurde.
Sie erhob sich aus dem schaumigen Wasser und lauschte. Doch die Minuten verstrichen, und es gab nichts weiter zu hören. Sie tauchte wieder unter, in Stille und Lautlosigkeit. Das Wasser schloss sich über ihren Augen und kroch in ihre Ohren.
Dann hörte sie die Schritte ihres Mannes, der eilig die Treppe hinaufstieg.
Quinn ließ den Blick durch den Raum schweifen, in dem sie warteten. »Hier wurde wirklich an nichts gespart«, merkte sie an. Der Boden des Zwischengeschosses war mit Massivholz belegt. Die Wand gegenüber dem Kamin war großzügig mit Gardinen drapiert, die vermutlich vor eine Reihe Terrassentüren gezogen waren. »Stellen Sie sich mal vor, das würde Ihnen gehören.«
»So leben die oberen Zehntausend, was? Dahinter hat man sicherlich einen Bombenblick auf den Garten, wenn man ihn sehen könnte. Ich erinnere mich, dass es da einen See gibt – na ja, einen Teich zum Bootfahren –, jedenfalls war das früher so. Der Park war damals inoffiziell für die Öffentlichkeit zugänglich.« Anderson ging hin und her und betrachtete die Zeitungen, die ordentlich in einem Weidenkorb geordnet waren, den Stutzflügel, der auf einem kleinen Podest stand, den riesigen Couchtisch, auf dem Schüsseln mit Chips, Mandeln und etwas mit Schokolade standen. Über dem Kamin hing eine Schwarzweißfotografie von Marita in silbernem Rahmen und beherrschte den Raum. Sie lächelte kokett über die nackte Schulter, und ihr berühmtes Haar wand sich wie eine Schlange über den milchweißen Rücken. Es war ein schönes und gleichzeitig unpassendes Bild, eher geeignet für eine Parfümannonce in einem Magazin als für die Wand eines Wohnzimmers. Anderson betrachtete es gebannt.
Quinn stupste ihn sanft an und deutete auf das Sideboard und die Fotos dort: Marita Simm, wie sie damals hieß, als sie 1990 zur Miss Caledonia gekrönt wurde; dann »Marita«, wie sie schließlich genannt werden wollte, wie sie mit einer endlosen Zahl von Prominenten, Fußballern, Popstars und einigen Schauspielern aus Soap-Operas posierte. Mrs. Iain Kennedy schmückte exklusive Wohltätigkeitsevents der High Society. »Sehen Sie dort«, meinte Quinn und zeigte auf eins, das nur die beiden Schwestern zeigte.
Anderson sah über die Schulter und vergewisserte sich, dass Kennedy noch nicht zurückgekehrt war. Dann hob dieser das Bild an. »Es wurde erst kürzlich aufgenommen. Das Haus wurde in den letzten zwei Jahren renoviert. Sagen wir mal, Marita war achtzehn oder neunzehn, als sie die Wahl zur Miss Caledonia gewonnen hat – dann müsste sie jetzt ungefähr vierzig sein. Aber danach sieht sie gar nicht aus. War Itsy die jüngere?«
»Das habe ich in der Zeitung gelesen, aber man kann ja nicht alles glauben«, erwiderte Quinn trocken. »Ich wette, Marita hat sich Botox gegönnt, damit sie ihrer kleinen Schwester ähnlicher sieht. Sie kann einfach nicht älter werden, das würde ihre PR -Beraterin nicht erlauben.«
Anderson betrachtete das Foto genau und drehte es leicht, damit das Glas nicht mehr reflektierte. Zwei fast identische Gesichter mit Herzform, Stupsnase und Tizianhaar – aber die eine war ein geschlossenes Buch, die andere ein aufgeschlagenes. Marita war ein polierter Diamant, elegant, ruhig, selbstbewusst. Itsy lächelte schelmisch und voller Glück. Anderson sah, wie attraktiv ihre Lebendigkeit und ihre Herzlichkeit waren. »Ich habe gehört oder gelesen, dass die Schwester ein bisschen …« Anderson tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe. »Aber wissen wir, wie schlimm es bei ihr ist?«
»Ich weiß auch nur, was ich in den Zeitschriften gelesen habe, während ich auf die Wurzelbehandlung gewartet habe. In dem Artikel ging es darum, wie gutherzig Marita ist, weil sie ihr Vermögen für die besonderen
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