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In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)

In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer kalten Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caro Ramsay
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das Gefühl haben, Sie hätten gutes Beweismaterial gesichert, dann haben Sie bis morgen früh frei, aber die Entscheidung liegt bei Ihnen, nicht bei denen.«
    »Wonach suchen Sie denn? Nach dem sprichwörtlichen stumpfen Gegenstand?«
    »Und Fußabdrücke wären sehr gut. Irgendwelche Spuren, die nicht beschädigt wurden. Wir haben zwei Angriffe, zwei Kopfwunden, zwei Verletzungen im Mund. Ein Opfer in der Intensivstation, ein anderes in der Leichenhalle. Und immer wenn ich an Itsy denke, habe ich in Gedanken Emily vor Augen.«
    Die Wagentür war zugefallen, ehe Anderson irgendwie widersprechen konnte.
    Im Wartezimmer des Krankenhauses blätterte Costello eine Zeitschrift bis zu der Stelle durch, die ihre Mutter Gesellschaftsseite genannt hätte. Ein Fußballer hielt sein Seite-drei-Flittchen im Arm, für das er seine Frau verlassen hatte. Zwei Zeitungsleser und ein Popstar hielten bei einem Krankenhausbenefiz arme Kinder an den Händen, deren Gesichter von so steifem Lächeln geziert waren, dass sie ohne Zweifel davon träumten, möglichst schnell in ihre Betten zurückzukehren. Sie fand auch ein Foto von Iain Kennedy und Marita bei einem Wohltätigkeitsball. Costello betrachtete das Gesicht mit der Stupsnase und den Katzenaugen. Noch eine Winzigkeit mehr Botox, und Marita Kennedy hätte ohne technische Hilfsmittel nicht mehr lächeln können. Wie eine solche Frau einen Mann wie Iain Kennedy dazu bringen konnte, seine Ehefrau zu verlassen und mit ihr zusammenzuziehen, war eine Sache. Wieso sie dafür aber von der Presse nicht an den Pranger gestellt wurde, war Costello ein Rätsel. Natürlich war das »tragische Geheimnis« – dass die so gesegnete Marita eine Schwester mit geistiger Behinderung hatte – ans Tageslicht gekommen, und zwar bei einem TV -Marathon zu Wohltätigkeitszwecken. Die Zynikerin in Costello wusste, das war der ideale Zeitpunkt: Die Boulevardpresse wollte Marita gerade als Ehebrecherin fertigmachen, als diese hübsche jüngere Schwester mit ihren speziellen Bedürfnissen auf der Bildfläche erschien, und die öffentliche Meinung schwenkte zu Maritas Gunsten um. Jetzt, da ihre Schwester in der Chirurgie lag und sich ein echtes Drama entwickelte, würde Marita das Pathos bis zum letzten Quäntchen ausnutzen. Costello hielt die Seite ins Licht; was hatte diese Marita eigentlich an sich, dass sie Ruhm, Geld und einen Mann nach dem anderen anzog? Diesmal sogar einen mehrfachen Millionär?
    Und was hatte sie – Costello? Sie träumte von einer Nacht auf ihrem Sofa mit P. D. James und einem Müsliriegel. Sie blätterte um und stieß auf eine Montage von Farbfotos von Helena McAlpine. Ein Foto zeigte sie in einem marokkanischen Souk zwischen Ballen bunter Seide. Unter einem Stirnband hervor wuchs kurzes und ein wenig stacheliges Haar. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie sich die kastanienbraune Mähne abgeschnitten und nie wieder wachsen lassen. Auf einem größeren Bild sah man sie in einem langen Kleid aus der Seide, die sie mitgebracht hatte, mit einem Bartträger bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Sie war jedenfalls eine gut aussehende Frau, das musste Costello zugeben. Seit DCI McAlpines Tod vor mehr als drei Jahren war Helena deutlich gealtert, und sie hatte eine Krebsoperation über sich ergehen lassen müssen. Doch ihr Gesicht war scharf geschnitten und verkörperte die Charakterstärke, die ihr Leben geformt hatte. Costello brauchte die Bildunterschrift nicht zu lesen, sie wusste, was dort stehen würde: Die bekannte Künstlerin Helena Farrell und ihr Geschäftspartner … Und natürlich würden Spekulationen über eine romantische Beziehung zwischen Helena Farrell und Terry Gilfillan folgen. Sie fragte sich, ob Anderson den Bericht gesehen hatte. Seit einiger Zeit hatte er die Frau vom alten Boss nicht mehr erwähnt, aber sie wusste, er hegte immer noch Gefühle für sie.
    Ach ja, die Maritas und Helenas dieser Welt bekamen die Kennedys und die McAlpines. Sie und Anderson mussten sich mit einem guten Buch oder mit üppig proportionierten Polizistinnen, die nicht einparken konnten, zufriedengeben.
    Costello schreckte zusammen, als draußen auf dem Gang eine Tür zufiel, und sie hörte eilige Schritte. An einem anderen Ort im Krankenhaus spielte sich ein Drama ab. Sie klemmte den grünen Plastiksack, der mit Itsys Kleidung vollgestopft war, unter ihrem Stuhl mit den Füßen ein. Die acht Proben, die O’Hare im Krankenwagen von Itsy hatte nehmen können, waren ebenfalls dabei:

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