In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Vaginalabstrich, drei Fingernagelabstriche sowie Proben von den Wunden an Kopf, Mund, Lippen und Wange. Alle befanden sich sicher verschlossen in sterilen Plastikbeuteln oder Fläschchen und warteten darauf, dass die Kriminaltechnik ihre Magie daran wirken würde. Costello hatte keine Ahnung, wie nützlich sie am Ende sein würden, doch wenigstens war die Beweiskette vollständig, und alles, was sie eingesammelt hatten, konnte sie bei Gericht vorlegen. Sie hatte ihre Arbeit gut gemacht. Itsy war nicht tot, und inzwischen würde sie so steril sein wie der OP selbst. Und damit wären alle Spuren dahin. Sie drückte die Tasche noch ein wenig fester.
Sie sah auf ihre Uhr und überlegte, ob hier wohl die klitzekleine Chance bestünde, eine Tasse Tee zu bekommen. Aber Quinn hatte ihr gesagt, sie solle hier sitzen bleiben, und Quinn würde ihre Gründe haben. Der Aufnahmearzt und der Neurochirurg hatten ihr nicht viel Hoffnung gemacht, vielmehr wunderten sie sich, dass Itsy überhaupt noch lebte. Eine schwere Verletzung, massiver Blutverlust und eisige Temperaturen … Costello zitterte allein bei dem Gedanken.
Sie versuchte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Zunächst einmal mussten sie erfahren, wie die Verletzung in Itsys Mund entstanden war. Gab es Ähnlichkeiten zu der bei Stephen Whyte? Und bei Emily? Bestand zwischen allen drei Opfern eine Verbindung, vielleicht auch schon zwischen den Personen, und nicht nur zwischen den Opfern? Oder ging es eher um eine Verbindung zu Marita und gar nicht zu Itsy? Wo und wer war Marita Kennedy vor zehn Jahren gewesen, in dem Jahr, in dem Emily Corbett vergewaltigt wurde? Hatte sie diese blöde Fernsehshow moderiert, in der talentierte Haustiere Kunststücke aufführten, zum Beispiel zur Titelmelodie von Coronation Street zu furzen? Das mussten sie nachvollziehen, aber im Augenblick war Costello dafür zu müde. Sie fragte sich, ob es im Barochan Moss Fortschritte gegeben hatte. Als sie nach ihrem Handy tastete, fand sie es in der Anoraktasche, und gleichzeitig wurde ihr klar, dass sie ihren Rucksack irgendwo hatte liegen lassen. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, ihn im Krankenwagen gehabt zu haben. Also hatte sie ihn wohl vergessen, als sie geholfen hatte, Itsy per Trage zur Straße zu bringen. Sie hatte ihn auf jeden Fall mitgenommen, als sie aus Andersons Wagen gestiegen war. Hatte sie ihn tatsächlich mitgenommen? Ihre Wohnungsschlüssel waren drin. Sie fluchte laut.
Sie rief im Revier an, und zu ihrer Überraschung meldete sich Wyngate.
»Sie sind noch da?«, fragte sie.
»Alle Mann an Bord.«
»Gut. Passen Sie auf, Windrad, ich muss mit jemandem im Barochan Moss sprechen. Mulholland würde reichen.«
»Ja, ich habe seine Nummer hier«, antwortete Wyngate und arbeitete dieses eine Mal ganz ungewohnt effektiv, indem er sie einfach durchsagte.
»Costello, ich habe keine Ahnung, wo Ihr verfluchter Rucksack ist«, fauchte Mulholland schließlich, nachdem sie ihn erreicht hatte. Offensichtlich verlor sein Designerkaschmir den Kampf gegen den gefrierenden Nebel. »Niemand hat einen erwähnt. Warum ist das Opfer eigentlich ins Western Infirmary gebracht worden? Die Frau hätte ins Royal Alexandra in Paisley gehört, hier in der K-Division.«
»O’Hare hat es so angeordnet«, sagte Costello und täuschte die Unschuld des Dummerchens vor.
»Und die Welt tut einfach das, was O’Hare anordnet? Ist er Gott? Glauben Sie nicht, wir würden darüber einfach so hinweggehen. Dieser Fotojournalist, Harry Castiglia, ist übrigens auf dem Weg zu Ihnen.«
»Wer?«
»Sie werden es schon merken.« Costello hörte das Grinsen aus Mulhollands Stimme heraus, als er fortfuhr: »Er dokumentiert Ihre Arbeit für das Unternehmensleitbild unseres neuen Service. Gott allein weiß, warum Partickhill ausgewählt wurde, aber der ACC war begeistert.«
»Er wird eine Erlaubnis brauchen«, gab Costello zurück.
»Die Kennedys sind mit dem ACC befreundet, es wird daher alles arrangiert. Bestimmt werden die Rechte für die Beerdigung ans OK ! Magazine verhökert. Marita steht Schwarz ungemein gut.« Er zögerte, als überlege er, etwas zu trinken, vermutlich einen Schluck heißen Tee aus dem Becher eines unglücklichen Untergebenen.
»Zuerst muss er ja an mir vorbei.«
»Costello, wollen Sie Ihr Leben lang Sergeant bleiben? Diesmal müssen Sie wohl mitspielen. Marita Kennedy versäumt keine Gelegenheit, ihr Bild in die Zeitung zu bringen, und Harry Castiglia ist genau der Richtige dafür –
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