In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
ansonsten wäre sie wohl in ihrem eigenen Blut erstickt. Dieses Fahrzeug, ein gestohlener Isuzu, wurde später ausgebrannt in Easterhouse gefunden, am 1. Januar. Identifiziert wurde es durch Reifenabdrücke auf der Straße. Emily hat darauf beharrt, dass in dem Wagen, der sie gerammt hat, zwei Personen gesessen haben, und auch weil sie aus einem fahrenden Wagen geworfen wurde, sollte man von zwei Tätern ausgehen. Allerdings gab es kriminaltechnisch am Tatort keinerlei Hinweise darauf, ganz und gar nichts. Der Überfall wurde gut geplant und ebenso ausgeführt.«
Mithilfe eines Leuchtstifts zeigte Anderson als Nächstes auf ein schlechtes Schwarzweißfoto einer Frau mit wasserstoffblondem Haar und finsteren, schwarz geränderten Augen, das offensichtlich bei einer früheren Verhaftung von der Polizei gemacht worden war. »Diese Frau ist Donna Campbell. Ihre Trinkkumpane im Clansman Pub in Greenock schilderten später, sie habe am 1. Januar folgende Geschichte erzählt: Ihr Freund« – Anderson zeigte auf das Bild eines jungen Mannes mit Aknenarben und übelstem Vokuhila – »Stephen Whyte, ist nicht zu ihrer Verabredung zu den Millenniumsglocken erschienen. Stattdessen kam er erst einige Stunden später. Zu dem Zeitpunkt war er ziemlich nüchtern, fing dann allerdings mit dem Trinken an. Er behauptete, bei Freunden gewesen zu sein, doch die Freunde bestritten später, mit ihm gefeiert zu haben, soweit sie sich erinnern konnten. Donna glaubte ihm kein Wort, sondern beschuldigte ihn, sich mit einer anderen Frau herumgetrieben zu haben, was zu einer Prügelei zwischen den beiden führte. Morgens, noch betrunken vom späten Alkoholkonsum, sah Whyte einen Bericht über den Überfall auf Emily und prahlte Donna gegenüber, er sei daran beteiligt gewesen. In welcher Weise, konkretisierte er nicht. Und Donna hatte keine Ahnung, wer der andere Mann gewesen sein könnte. Sie war sauer, hatte bei der Auseinandersetzung ein blaues Auge davongetragen und erzählte seine Geschichte im Clansman. Nun ja, jeder Mensch kennt einen anderen, und sie reden miteinander. Mittags am dritten Tag hatte die Geschichte die K-Division erreicht. Nun begann man in Greenock zu ermitteln, und auch Whyte stattete man noch am selben Tag einen Besuch in seinem Haus in Erskine ab. Am Abend, als Emily aus dem OP kam, zeigte man ihr das Foto von Whyte, und sie identifizierte ihn. Die K-Division fuhr spät in der Nacht erneut zu ihm, um ihn zu einem weiteren Verhör abzuholen, aber da war das Vögelchen bereits ausgeflogen. DI Neil Yorke war der leitende Ermittler. Wie Sie sich aus Ihren Jurakursen erinnern werden, können wir niemanden auf bloßen Verdacht hin verhaften; damals gab es keinen einzigen realen Beweis, der auf Whytes Täterschaft hindeutete, und das gilt letztlich heute noch.«
Anderson zeigte nun auf den zweiten Bereich der Tafel. »Gestern wurde Stephen Whyte tot aufgefunden. Er wurde totgeprügelt, oder zumindest beinahe, und anschließend aufgehängt. Die Lippen wurden ihm mit Sekundenkleber verschlossen. Bei späteren Untersuchungen wurde eine deutliche Wunde im Gaumenbereich entdeckt, als habe jemand einen harten Gegenstand kräftig hineingerammt. Ein Abstrich wurde ins Labor geschickt.« Er hielt kurz inne, damit diejenigen, die sich Notizen machten, aufholen konnten. »Jetzt müssen wir Whytes Bewegungen seit seiner Ankunft auf dem Flughafen Glasgow am Morgen des 30. Januar, einem Samstag, bis zu dem Zeitpunkt, als ihn die Innes gestern am 9. Februar, einem Dienstag, fanden. Ganz besonders Samstag, den 30. Januar. Laut Aussage des Onkels kam er mit einer frühen Maschine in Glasgow an und fuhr direkt zum Haus der Familie, das nur zehn Minuten Fahrt vom Flughafen entfernt liegt. Er trank eine Tasse Tee, duschte und unterhielt sich mit seiner bettlägerigen Mutter.« Anderson wartete. »Dann hat er gesagt, er gehe aus, und ist einfach verschwunden. Vormittags oder spätvormittags ist der Zeitrahmen, auf den wir sein Verschwinden einengen können. Wir müssen wissen, ob ihn danach noch jemand gesehen hat, weil es sein letzter bekannter Aufenthaltsort war, ehe man ihn gestern aufgehängt fand. Wir müssen uns mit Donna Campbell unterhalten für den Fall, dass sie heute mehr weiß als damals. Interessanterweise zeigen die ersten Untersuchungen, dass Whyte vor allem auf die linke Scheitelbeingegend, die linke Gesichtshälfte und die linke Schläfe geschlagen wurde, wodurch Verletzungen entstanden, die jenen ähneln, welche Emily
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