In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
zugefügt wurden.« Anderson fuhr mit dem Leuchtstift zwischen den Fotos von Emilys zerschmetterten Gesicht und dem aufgequollenen Grauen, das von Stephen Whytes geblieben war. »Wie dem auch sei, wir halten uns an das, was wir ermitteln können. Wer wusste zum Beispiel, dass er nach Hause fliegen würde, abgesehen von seiner Mutter?« Anderson hielt kurz inne. »Bitte lassen Sie sich von dem, wer dieser Mann ist und was er möglicherweise getan hat, bei der Untersuchung seines Todes nicht beeinflussen. Dieses Urteil steht uns nicht zu.«
»Gleiches Recht für alle«, sagte Littlewood gleichgültig und pustete aus einem Kaugummi eine Blase, die mit lautem Knall platzte.
Die anderen beachteten ihn nicht.
»Kommen wir jetzt zu den Ereignissen der vergangenen Nacht, dem Fall Ishbel – bekannt als Itsy – Simm. Die meisten von Ihnen sind hier auf dem Laufenden. Sie hat Schläge an die Seite des Kopfes erlitten, die linke Scheitelbeingegend. Erst heute Morgen gegen fünf kam sie aus dem OP , lebendig, aber nur um ein Haar. Jetzt hat sie eine Stahlklammer an der Schädelbasis, damit ihr Kopf nicht auseinanderfällt wie eine gespaltene Kokosnuss. Auch wird sie wohl bleibende Schäden davontragen. Außerdem hat man bei ihr eine durch Stoß hervorgerufene Verletzung des Gaumens festgestellt, deren Ausdehnung noch nicht bestätigt wurde. Also, haben wir hier eine Verbindung?
Um die Sache noch schwieriger zu machen, muss ich Ihnen nicht erst sagen, wer Itsys Schwester ist. Während David Corbett die Medienöffentlichkeit scheute, wird Marita Kennedy sie eher suchen. Das Interesse der Medien war für Emilys Familie zur damaligen Zeit schwer zu ertragen. Ein Journalist wurde sogar mit juristischen Maßnahmen bedroht. Bitte meiden Sie daher jeglichen Kontakt zu den Medien. Und alle Kontakte zu den Corbetts werden über DCI Quinn laufen. Ich denke, Sie alle sollten die Aussage lesen, die Emily nach dem Überfall gemacht hat. Es ist nicht leicht zu verdauen, vor allem wenn man sieht, wie viele Stunden es dauerte, bis sie diese wenigen Fakten geäußert hatte, aber sicherlich stimmen Sie mir zu, dass es sich um …«
»Einen Beweis für die Tapferkeit einer außergewöhnlichen jungen Frau handelt.« Die Stimme kam aus dem hinteren Teil des Raums. Alle wandten sich zu den beiden Männern um, die unbemerkt eingetreten waren. DS Lambie stand ein wenig hinter Vik Mulholland und hob das Kinn leicht in die Höhe, als sei er stolz darauf, gesprochen zu haben.
»Sicherlich, DS Lambie«, antwortete Anderson höflich. »Wir alle sind uns im Klaren darüber, was für eine Tragödie in jener Nacht passiert ist. DS Mulholland, guten Morgen.«
Vik nickte grüßend. »Partickhill! Mein Gott!« Er blickte sich um. »Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren, was? Selbst die Ratten sind schon von Bord gegangen!«
Anderson sah zu Quinn, die ihn mit einem Nicken aufforderte fortzufahren. »Schön, dafür Sie an Bord zu haben, Mulholland, selbst wenn Sie uns als Titanic betrachten. Nehmen Sie doch Platz. Wie Sie sehen, sind wir mitten in der Einsatzbesprechung. DS Lambie, Sie haben als junger Mann an der Ermittlung mitgearbeitet, stimmt’s? Haben Sie etwas hinzuzufügen?«
Damit erwischte er Lambie auf dem falschen Fuß, doch der Kollege fand seine Stimme sofort wieder. »Ich weiß, manche sprechen Emily die Fähigkeit ab, sich an die Ereignisse jener Nacht zu erinnern. Aber sie hat die Bauart des Geländewagens aus einer Reihe Fotos wiedererkannt, die wir von diesem speziellen Grill und der Beschriftung hatten – sie hat uns außerdem darauf gebracht, dass wir einen Isuzu suchen müssen. Wenn sie das Fahrzeug so gut erkannte, warum sollte man zweifeln, wenn sie behauptete, es hätten zwei Männer darin gesessen? Warum sollte man ihr nicht glauben, wenn sie Stephen Whyte identifizierte? Ich weiß, sie konnte nicht sprechen, sondern nur zeigen, aber sie war absolut unerschütterlich sicher. Stellen Sie sich nur vor, wie anstrengend es für sie war und wie viel Mut sie aufbringen musste, um uns das zu erzählen.« Er zeigte auf das Foto von Whyte. »Lassen Sie sich nichts vormachen – er hat Emily Corbett vergewaltigt. Sie hat sein Gesicht gesehen.«
Ruhige Worte, stark gesprochen.
Anderson nickte. »Danke, David, Ihre Perspektive hilft uns sehr. Wie haben Sie Whytes Geschichte mit der Freundin überprüft?«
Lambie blinzelte und schob die Brille hoch, als hätte ihn das Selbstvertrauen schon wieder verlassen. »Ich habe sehr häufig
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