In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
hochgezogen war, sondern über der Hüfte hing. Der Reißverschluss war zu. Hat ihr jemand die Hose heruntergezogen? Sollte sie vergewaltigt werden? Oder wurde der Täter gestört? Soweit die Chirurgen es beurteilen konnten, gab es am Körper keine Hinweise auf eine Vergewaltigung. Allerdings finden sich Blutergüsse an den Unterschenkeln und Oberarmen, was auf einen Kampf hindeutet. Ihr Stiefel war halb ausgezogen, als hätte sie versucht wegzulaufen und sei an etwas hängen geblieben. Wie gewohnt werden Abstriche vom Körper und die Kleidung auf Flüssigkeiten und so weiter untersucht. Und …«
»Das bringt uns ja nicht weiter, wenn er gestört wurde, ehe er das vollenden konnte, was er vorhatte. Der Vogelbeobachter hat einen Kampf gehört …«
» Und sie hätte sich die Lunge aus dem Hals geschrien, wenn sie man sie hätte vergewaltigen wollen«, meinte Costello kalt. »Der Vogelbeobachter hätte das möglicherweise gehört.«
»Es ist schwierig zu schreien, wenn einem eine Waffe durch den Gaumen gerammt wird«, sagte Mulholland. »Daher sollten wir von einer versuchten Vergewaltigung ausgehen. Mit dem Angriff wollte der Täter das Opfer zum Schweigen bringen, bevor der sexuelle Übergriff unterbrochen wurde.«
»Vielleicht auch nicht«, meinte Costello und schnaubte hochmütig. »Denn es passt nicht mit dem Umstand zusammen, dass Itsy gewissermaßen …« – sie suchte nach dem richtigen Wort – »arrangiert wurde, fast in der stabilen Seitenlage. Ich verstehe daher nicht, wie das mit einer Unterbrechung der Tat zusammengehen soll. Er wäre sicherlich einfach weggelaufen und hätte sich nicht die Zeit genommen, sie so ordentlich hinzulegen.« Costello zeigte auf das Foto von Itsys Kopf. »Sehen Sie, ihre Jacke ist geschlossen. Sie liegt auf einem zusammengefalteten Schal, einem Schal, der ihr vorsichtig wie ein Kissen unter den Kopf gelegt wurde, nachdem die Blutung begonnen hatte – das belegen die Blutflecken. Das hat eine zweite Person getan.« Sie richtete den Zeigefinger auf die Tafel.
»Man hat es ihr bequem gemacht und sie dann zum Sterben liegen lassen«, sagte Anderson, und seine leisen Worte klangen durch den stillen Raum.
»So scheint es wenigstens«, erwiderte Quinn. »Ein Psychologe würde sagen, das deutet auf einen gewissen Grad an Mitgefühl hin. Oder auf Reue. Vielleicht haben Sie beide recht, vielleicht wurde sie überfallen, aber von jemandem, der Gefühle für sie hegte.«
Anderson blickte zur Tafel, auf den Namen Robert »Bobby« McGurk. So wie er ist.
»Möchten Sie noch etwas hinzufügen?«, fragte Quinn ihn.
»Nein, Entschuldigung.«
»Und wer hat Itsys Hintergrund ermittelt?«
Wyngate trat vor und hüstelte nervös. »Itsy – Itsy Bitsy für ihre Freunde –, Ishbel laut Geburtsurkunde. Gehirnschaden als Kleinkind. Geschätzter geistiger Entwicklungsstand einer Achtjährigen. Sie hat bei ihrer Mutter gelebt bis zu deren Tod vor fünf Jahren. Da war Itsy dreißig. Danach kam sie zwei Jahre lang in ein Heim, was jedoch zu einer Verschlimmerung ihres körperlichen und geistigen Zustands führte. Ihre Schwester, Marita Kennedy, hat sie zu sich nach Strathearn genommen, nachdem sie die Ehe der Kennedys zerstört hatte und gute Publicity brauchte.«
»Wyngate! Nur die Fakten!«, schimpfte Quinn.
Wyngate wandte sich wieder seinem Notizblock zu. »Itsy wurde gestern in Strathearn House vor sechs Uhr zum letzten Mal gesehen. Es scheint, niemand aus Strathearn hat Itsy ins Barochan Moss gefahren. Mr. Kennedy hat gute Überwachungsanlagen, und Fahrzeuge werden am Tor kontrolliert. An dem Abend fuhr kein Wagen herein oder heraus.«
»Und wie hat Itsy dann das Haus verlassen, das ungefähr … fünfhundert Meter von uns entfernt ist, aber zehn Meilen vom Barochan Moss?«, fragte Mulholland und versuchte, die Führung zu übernehmen. »Dorthin gelangt man nicht so leicht, Sie wissen es ja selbst. Gestern Abend war es außergewöhnlich kalt.«
»Setzt man eine Verwechslung des Opfers voraus, so gibt es in Partick Central Berichte, denenzufolge jemand versucht hat, ihre Schwester einzuschüchtern und zu belästigen. Wir haben um diese Berichte gebeten«, sagte Anderson. »Ich habe bereits eine Aufgabenliste erstellt, wusste jedoch nicht, wen man uns von der K-Division schickt. Lambie und Mulholland, vielleicht schließen Sie sich am besten jemandem von uns an, damit Sie nichts verpassen. Zunächst, DS Mulholland, werden Sie und ich Mr. English noch einmal befragen, sobald wir hier
Weitere Kostenlose Bücher