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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Block hinter dich gebracht hastvielleicht sogar schon früher -, wirst du dich fragen, ob du die Tür auch richtig abgeschlossen hast. Aber du hast es getan. Du hast die Lasagne abgesetzt, um es zu tun. Und wenn du dann immer noch nicht überzeugt bist, dann sieh dir deinen Arm an und erinnere dich, daß du diesen Strich mit deinem eigenen Hausschlüssel gezogen hast – und zwar, nachdem du den Schlüssel benutzt hattest, um das Haus zu verschließen. Erinnere dich daran, Nettie, dann gibt es keine Probleme, wenn irgendwelche Zweifel dich beschleichen wollen.
    Das war ein großartiger Gedanke, und mit dem Schlüssel einen Strich auf ihrem Arm zu ziehen war eine wundervolle Idee gewesen. Dieser rote Strich war etwas Konkretes, und zum erstenmal seit den letzten zwei Tagen (und nahezu schlaflosen Nächten) fühlte sich Nettie tatsächlich wohler. Sie marschierte auf den Gehsteig zu, erhobenen Hauptes, die Lippen entschlossen zusammengepreßt. Als sie den Gehsteig erreicht hatte, hielt sie in beiden Richtungen Ausschau nach dem kleinen gelben Wagen der verrückten Polin. Wenn sie ihn sah, hatte sie vor, schnurstracks darauf zuzugehen und der verrückten Polin zu sagen, sie sollte sie in Ruhe lassen. Aber er war nirgendwo in Sicht. Das einzige Fahrzeug, das sie sah, war ein alter, orangefarbener Laster, der ein Stück die Straße hinauf parkte, und der war leer.
    Gut.
    Nettie machte sich auf den Weg, und als die Zweifel sie beschlichen, erinnerte sie sich daran, daß der Buntglas-Lampenschirm sicher verwahrt war, daß Raider Wache hielt, und daß sie die Haustür abgeschlossen hatte. Vor allem letzteres. Die Haustür war abgeschlossen, und sie brauchte nur einen Blick auf den verblassenden Strich auf ihrem Arm zu werfen, um es sich selbst zu beweisen.
    Also marschierte Nettie erhobenen Hauptes dahin, und als sie die Ecke erreicht hatte, bog sie ab, ohne sich noch einmal umzuschauen.

2
     
    Sobald die arme Irre außer Sichtweite war, richtete sich Hugh Priest hinter dem Lenkrad des orangefarbenen Lasters auf, den er um sieben Uhr morgens aus dem verlassenen Fuhrpark der Stadt geholt hatte (er hatte sich auf den Sitz gelegt, als er die verrückte Nettie aus der Haustür kommen sah). Er nahm den Gang heraus und ließ den Laster langsam und geräuschlos die leicht abfallende Straße zu Nettie Cobbs Haus hinunterrollen.

3
     
    Die Türglocke weckte Polly aus einem verschwommenen Zustand, der im Grunde kein Schlaf war, sondern eine Art von traumgequälter Drogenbenommenheit. Sie setzte sich im Bett auf und stellte fest, daß sie ihren Morgenrock anhatte. Wann hatte sie ihn angezogen? Einen Augenblick lang konnte sie sich nicht erinnern, und das ängstigte sie. Dann fiel es ihr wieder ein. Die Schmerzen, die sie erwartet hatte, waren fahrplanmäßig eingetroffen, anstandslos die schlimmsten arthritischen Schmerzen ihres ganzen Lebens. Sie hatten sie gegen fünf aufgeweckt. Sie war ins Badezimmer gegangen, um Wasser zu lassen, und dann hatte sie festgestellt, daß sie nicht einmal ein Stück Toilettenpapier von der Rolle abreißen konnte, um sich damit abzutupfen. Also hatte sie ein Tablette genommen, ihren Morgenrock angezogen und sich auf den Stuhl am Schlafzimmerfenster gesetzt, um zu warten, bis die Tablette wirkte. Und dann mußte sie irgendwann schläfrig geworden sein und sich wieder hingelegt haben.
    Ihre Hände fühlte sich an wie grobe Keramikfiguren, hartgebrannt, bis sie dem Zerspringen nahe waren. Der Schmerz war gleichzeitig heiß und kalt, er steckte tief in ihrem Fleisch wie ein Netzwerk aus vergifteten Drähten. Sie hob verzweifelnd die Hände hoch, Vogelscheuchenhände, fürchterliche, deformierte Hände, und unten ertönte abermals die Türglocke. Sie stieß einen gequälten kleinen Schrei aus.
    Sie ging auf den Flur hinaus und hielt dabei ihre Hände vor sich wie die Pfoten eines Hundes, der Männchen macht, um sich einen Leckerbissen zu erbetteln. Ihre Stimme war heiser und schlaftrunken. Ihre Zunge schmeckte wie etwas, das zum Auslegen eines Katzenkorbes benutzt worden war.
    »Ich bin’s, Nettie!« Die Stimme driftete zu ihr herauf. »Ist alles in Ordnung, Polly?«
    Nettie. Großer Gott, was wollte Nettie hier vor Tagesanbruch an einem Sonntagmorgen?
    »Ja, alles in Ordnung!« rief sie zurück. »Ich muß mir etwas überziehen. Sie haben doch Ihren Schlüssel, Nettie!«
    Als sie Netties Schlüssel im Schloß klappern hörte, eilte Polly zurück in ihr Schlafzimmer. Sie warf einen Blick auf die Uhr, die

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