In einer kleinen Stad
wartete darauf, kassiert zu werden.
In der letzten Stunde hatte die heutige Ausgabe der Daily Sun von Lewiston, auf der Seite mit dem Rennplan aufgeschlagen, links neben dem Winning Ticket gelegen. Rechts davon lag ein Blatt Papier, das er aus seinem Notizbuch herausgerissen hatte. Und auf dem Blatt stand, in Keetons großer, hastiger Handschrift:
1. Rennen: BAZOOKA JOAN
2. Rennen: FILLY DELFIA
3. Rennen: TAMMY’S WONDER
4. Rennen: I’M AMAZED
5. Rennen: BY GEORGE
6. Rennen: PUCKY BOY
7. Rennen: CASCO THUNDER
8. Rennen: DELIGHTFUL SON
9. Rennen: TIKO-TIKO
Es war erst fünf Uhr nachmittags, als Danforth Keeton das letzte Rennen des Abends laufen ließ. Die Pferde ratterten und schwankten um die Bahn. Eines von ihnen führte mit sechs Längen Vorsprung und überquerte die Ziellinie weit vor allen anderen.
Keeton griff nach der Zeitung und vertiefte sich nochmals in den Rennplan des Abends. Sein Gesicht strahlte, als wäre er gerade heiliggesprochen worden. »Malabar!« flüsterte er und schüttelte die Fäuste in der Luft. Der Stift, den er in einer von ihnen hielt, schoß heraus und stürzte ab wie eine flüchtige Nähnadel. »Es ist Malabar! Dreißig zu eins! Dreißig zu eins, mindestens! Malabar, bei Gott!«
Er kritzelte den Namen auf das Blatt Papier, wobei er heftig keuchte. Fünf Minuten später war das Winning Ticket-Spiel in seinem Arbeitszimmer im Schrank eingeschlossen, und Danforth Keeton war in seinem Cadillac unterwegs nach Lewiston.
Neuntes Kapitel
1
Um Viertel vor zehn am Sonntagmorgen zog Nettie Cobb ihren Mantel an und knöpfte ihn flink zu. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck grimmiger Entschlossenheit. Sie stand in ihrer Küche. Raider saß auf dem Boden und schaute zu ihr auf, als wollte er sie fragen, ob sie es diesmal wirklich durchstehen wollte.
»Ja, das will ich«, erklärte sie ihm.
Raider pochte mit den Schwanz auf den Boden, als wollte er sagen, er wüßte, daß sie es könnte.
»Ich habe für Polly eine schöne Lasagne gemacht, und ich will sie ihr bringen. Mein Lampenschirm ist im Schrank eingeschlossen, und ich weiß, daß er darin eingeschlossen ist, ich brauche also nicht umzukehren und nachsehen, ich weiß es, in meinem Kopf. Diese verrückte Polin wird mich nicht zur Gefangenen in meinem eigenen Haus machen. Wenn ich sie auf der Straße sehe, gebe ich ihr eins aufs Dach! Ich habe sie gewarnt!«
Sie mußte ausgehen. Sie mußte es, und das wußte sie. Sie hatte das Haus zwei Tage lang nicht verlassen, und sie hatte begriffen, daß es um so schwerer werden würde, je weiter sie es hinausschob. Je länger sie bei heruntergezogenen Jalousien in ihrem Wohnzimmer saß, desto schwerer würde es ihr fallen, sie wieder hochzuziehen. Sie spürte, wie sich das alte, verworrene Entsetzen wieder in ihr Denken einschlich.
Also war sie an diesem Morgen sehr früh aufgestanden – um fünf Uhr! – und hatte für Polly eine schöne Lasagne gemacht, genau so, wie sie sie gern hatte, mit einer Menge Spinat und Pilzen. Die Pilze waren aus der Dose, weil sie sich gestern abend nicht getraut hatte, auszugehen und frische zu kaufen, aber sie glaubte, daß sie trotzdem gut geraten war. Jetzt stand sie, mit Aluminiumfolie abgedeckt, auf dem Küchentisch.
Sie ergriff sie und marschierte durch das Wohnzimmer zur Haustür. »Sei schön brav, Raider, in einer Stunde bin ich wieder da. Es sei denn, wir trinken bei Polly noch eine Tasse Kaffee, dann könnte es ein bißchen länger dauern. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es gibt nichts, wovor ich mich ängstigen müßte. Ich habe nichts angestellt mit den Laken dieser verrückten Polin, und wenn sie mich belästigt, werde ich ihr den Marsch blasen.«
Raider bellte kurz und streng, um ihr zu zeigen, daß er sie verstand und ihr glaubte.
Sie öffnete die Tür, lugte hinaus, sah nichts. Die Ford Street war so menschenleer, wie es nur eine Straße in einer kleinen Stadt am frühen Sonntagmorgen sein kann. In der Ferne riefen die Glocken einer Kirche Rev. Roses Baptisten zum Gottesdienst, die einer anderen läuteten nach Father Brighams Katholiken.
Nettie nahm all ihren Mut zusammen und trat in den sonntäglichen Sonnenschein hinaus, setzte die Form mit der Lasagne auf die Stufe, zog die Tür zu und schloß sie ab. Dann nahm sie ihren Hausschlüssel und kratzte damit über ihren Unterarm, so daß ein dünner roter Strich zurückblieb. Als sie sich bückte, um die Form wieder aufzuheben, dachte s ie: Also, wenn du den halben
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