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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Veruntreuung gestellt werden würden. Fragen wie die, wie lange – in Steuerjahren, wenn ich bitten darf, Gentlemen – Mr. Keetons kleine Operationen bereits vor sich gegangen waren? Und wie es kam, daß die Oberste Finanzbehörde nicht schon viel früher aufgewacht war und den Braten gerochen hatte? Fragen, die ehrgeizigen Männern sehr peinlich waren.
    Er glaubte, daß er sich würde durchmogeln können. Keine Garantie, aber es sah so aus, als wäre es möglich.
    Und das alles dank Mr. Leland Gaunt.
    Gott, er liebte Leland Gaunt.
    »Danforth?« fragte Myrt schüchtern.
    Er sah auf. »Ja?«
    »Das ist der schönste Tag, den ich seit Jahren hatte. Ich wollte nur, daß du weißt, wie dankbar ich bin, einen solchen Tag erleben zu dürfen. Mit dir.«
    »Oh!« Gerade war etwas überaus Merkwürdiges passiert. Einen Augenblick lang war er nicht imstande gewesen, sich an den Namen der Frau zu erinnern, die ihm gegenübersaß. »Nun, Myrt, auch für mich war es schön.«
    »Fährst du heute abend wieder zur Rennbahn?«
    »Nein«, sagte er. »Ich glaube, heute abend bleibe ich zu Hause.«
    »Das ist schön«, sagte sie. Sie fand es so schön, daß sie sich abermals die Augen mit der Serviette abtupfen mußte.
    Er lächelte sie an – es war nicht sein altes, zärtliches Lächeln, mit dem er einst um sie geworben hatte -, aber es kam ihm einigermaßen nahe. »Wie steht’s Myrt – möchtest du Nachtisch?«
    Sie kicherte und schnippte mit ihrer Serviette nach ihm. »Oh, du !«

3
     
    Das Heim der Keetons war ein zweigeschossiges Haus in Castle View. Für Nettie Cobb war es ein langer Weg bergauf, und als sie endlich angelangt war, taten ihr die Beine weh, und ihr war sehr kalt. Sie begegnete nur drei oder vier anderen Fußgängern, und keiner von ihnen sah sie an; sie hatten die Mantelkrägen hochgeschlagen, denn es war ein kräftiger, sehr ungemütlicher Wind aufgekommen. Als sie in die Auffahrt der Keetons einbog, flatterte die Anzeigenbeilage von irgend jemandes Sonntagsausgabe des Telegram über die Straße und erhob sich dann wie ein seltsamer Vogel in den harten blauen Himmel. Mr. Gaunt hatte ihr gesagt, daß Buster und Myrtle nicht zu Hause sein würden, und Mr. Gaunt wußte es am besten. Die Garagentür stand offen, und die Nobelkarosse, die Buster fuhr, war verschwunden.
    Nettie ging den Pfad hinauf, blieb vor der Haustür stehen und holte Block und Klebeband aus ihrer linken Manteltasche. Sie sehnte sich danach, zu Hause zu sein, mit dem sonntäglichen Superfilm im Fernsehen und Raider zu ihren Füßen. Und dort würde sie sein, sobald sie diesen Auftrag erledigt hatte. Vielleicht würde sie nicht einmal stricken, sondern einfach nur dasitzen, mit ihrem Buntglas-Lampenschirm auf dem Schoß. Sie riß den ersten rosa Zettel ab und klebte ihn über das Schild neben der Türglocke, aus getriebenem Metall, auf dem THE KEETONS stand und KEINE VERTRETER BITTE. Sie steckte das Klebeband und den Block wieder in die linke Tasche, dann holte sie den Schlüssel aus der rechten und schob ihn ins Schloß. Bevor sie ihn drehte, betrachtete sie kurz den rosa Zettel, den sie gerade angeklebt hatte.
    Obwohl sie fror, und erschöpft war, mußte sie doch ein wenig lächeln. Es war wirklich ein guter Witz, zumal wenn man bedachte, wie Buster fuhr. Es war wirklich ein Wunder, daß er noch niemanden totgefahren hatte. Allerdings wäre sie nicht gern der Mann gewesen, dessen Name unter der Verwarnung stand. Buster konnte fürchterlich nachtragend sein. Schon als Kind hatte er keinen Spaß vertragen.
    Sie drehte den Schlüssel im Schloß. Die Tür ließ sich leicht öffnen. Nettie ging hinein.

4
     
    »Mehr Kaffee?« fragte Keeton.
    »Für mich nicht«, sagte Myrtle. »Ich bin voll wie eine Zecke.« Sie lächelte.
    »Dann laß uns heimfahren. Ich möchte mir im Fernsehen die Patriots anschauen.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Wenn wir uns beeilen, schaffe ich es bis zum Anpfiff.«
    Myrtle nickte, glücklicher denn je. Der Fernseher stand im Wohnzimmer, und wenn Dan vorhatte, sich das Spiel anzusehen, würde er den Nachmittag nicht in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen verbringen. »Dann sollten wir uns wirklich beeilen.«
    Keeton reckte befehlend einen Finger hoch. »Kellnerin? Bringen Sie mir bitte die Rechnung.«

5
     
    Nettie hatte es nicht mehr eilig, nach Hause zu kommen; es gefiel ihr, im Heim von Buster und Myrtle zu sein.
    Zum einen war es warm. Zum anderen verlieh das Hiersein Nettie ein völlig unvermutetes Machtgefühl

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