In einer kleinen Stad
ging hinter dem Kühlergrill in Deckung, bis der Laster verschwunden war. Dann richtete sie sich wieder auf. Aus der Brusttasche ihres Hemdes zog sie ein zusammengefaltetes Stück Papier. Sie öffnete es, glättete es sorgfältig und schob es dann so unter den Scheibenwischer, daß der Text darauf deutlich zu sehen war.
Es war Zeit für das Bajonett.
Sie sah sich schnell noch einmal um, doch das einzige, was sich in dem ganzen heißen Tageslicht bewegte, war eine einsame Krähe, vielleicht die, die eine Weile zuvor geschrien hatte. Sie flatterte auf die Spitze einer der Auffahrt genau gegenüberstehenden Telegrafenstange und schien sie zu beobachten.
Myra zog das Bajonett aus der Scheide, packte es mit beiden Händen, bückte sich und rammte es bis zum Griff in den vorderen Weißwandreifen an der Fahrerseite. Ihr Gesicht war in Erwartung eines lauten Knalls zu einer Grimasse verzerrt, aber es gab nur ein plötzliches, atemloses huuuusch – ungefähr das Geräusch, das ein großer Mann von sich gibt, nachdem man ihm einen Schlag in die Magengrube versetzt hat. Der Thunderbird neigte sich deutlich nach links. Myra zerrte an dem Bajonett, riß das Loch größer, dankbar dafür, daß Chuck seine Waffen gern scharf hielt.
Nachdem sie ein ausgefetztes Gummilächeln in den rapide zusammensackenden Reifen geschnitten hatte, ging sie zu dem an der Beifahrerseite und tat dort dasselbe. Es verlangte sie immer noch danach, zu ihrem Foto zurückzukehren; dennoch war sie froh, daß sie hergekommen war. Das war aufregend. Der Gedanke an Henrys Gesicht, wenn er sah, was mit seinem kostbaren Thunderbird passiert war, machte sie sogar geil. Gott wußte, warum, aber sie dachte daran, wenn sie endlich wieder an Bord der Lisa Marie war, würde sie The King vielleicht noch den einen oder anderen neuen Trick zeigen können.
Sie begab sich zu den Hinterreifen. Jetzt schnitt das Bajonett nicht mehr ganz so gut, aber sie glich das durch ihre eigene Begeisterung aus und sägte tatkräftig in die Reifenwände hinein.
Als die Arbeit erledigt und alle vier Reifen nicht nur angestochen, sondern regelrecht zerfetzt waren, trat Myra zurück, um ihr Werk zu betrachten. Sie atmete hastig und wischte sich mit einer heftigen, männlichen Geste den Schweiß von der Stirn. Henry Beauforts Thunderbird saß jetzt gut fünfzehn Zentimeter niedriger über der Auffahrt als bei ihrer Ankunft. Er ruhte auf den Felgen, und unter ihnen breitete sich zusammengequetscht das schlaffe Gummi der teuren Gürtelreifen. Und dann entschloß sich Myra, obwohl dazu nicht aufgefordert, dem Ganzen noch jenen letzten Schliff zu geben, der so viel ausmacht. Sie fuhr mit der Spitze des Bajonetts über die Seitenfront des Wagens und riß in die auf Hochglanz polierte Oberfläche einen langen, gezackten Kratzer.
Das Bajonett kreischte über das Metall, und Myra schaute zum Haus hinüber, plötzlich ganz sicher, daß Henry Beaufort das Geräusch gehört haben mußte, daß die Jalousie im Schlafzimmer plötzlich hochschnellen und er zu ihr herausschauen würde.
Das geschah nicht, aber sie wußte, daß es Zeit war, zu verschwinden. Sie war entschieden zu lange hier gewesen, und daheim in ihrem Schlafzimmer wartete The King auf sie. Myra eilte die Auffahrt hinunter, brachte das Bajonett wieder in seiner Scheide unter und verdeckte sie wieder mit Chucks Hemd. Ein Wagen fuhr an ihr vorüber, bevor sie wieder beim Mellow Tiger angekommen war, aber er fuhr in die entgegengesetzte Richtung – sofern der Fahrer nicht in seinem Rückspiegel mit ihr liebäugelte, hätte er nur ihren Rücken gesehen.
Sie glitt in ihren eigenen Wagen, zerrte das Gummiband aus ihrem Haar, ließ es auf seine gewohnt schlaffe Art wieder um ihr Gesicht fallen und fuhr in die Stadt zurück. Das tat sie einhändig. Sie schloß ihr Haus auf und rannte dann, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Das Foto lag auf dem Bett, wo sie es zurückgelassen hatte. Myra schleuderte die Schuhe von den Füßen, riß ihre Jeans herunter, ergriff das Foto und sprang mit ihm ins Bett. Die Sprünge im Glas waren verschwunden; The King war wieder jung und schön.
Dasselbe ließ sich von Myra Evans sagen – zumindest vorübergehend.
7
Über der Tür bimmelte das silberne Glöckchen seine kleine Melodie.
»Hallo, Mrs. Potter!« sagte Mr. Gaunt fröhlich und machte ein Häkchen auf dem Blatt neben der Registrierkasse. »Ich war nahe daran zu glauben, daß Sie nicht mehr kommen würden.«
»Beinahe
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