In einer kleinen Stad
für das calava -zerstörende Chaos verantwortlich war: Melissa Clutterbuck.
Lenore Potter verdächtigte die Frau des Deputy Clutterbuck nicht, weil sie sie nicht kannte - und Melissa Clutterbuck kannte Lenore nicht; die grüßten sich lediglich, wenn sie sich auf der Straße begegneten. Bei Melissa Clutterbuck war keinerlei Bosheit im Spiel gewesen (abgesehen natürlich, dachte Mr. Gaunt, von der normalen, boshaften Freude, die jedermann empfindet, wenn er über die geliebten Besitztümer eines anderen Menschen herfällt). Sie hatte Lenore Potters Blumenbeete verwüstet, weil das Teil der Bezahlung für eine Garnitur Limoges-Porzellan war. Wenn man der Sache auf den Grund ging, war es eine rein geschäftliche Angelegenheit. Erfreulich, ja, aber wo stand geschrieben, daß geschäftliche Angelegenheiten immer eine Last sein müssen?
»Meine Blumen liegen auf der Straße!« schrie Lenore. »Mitten in Castle View! Sie hat wirklich ganze Arbeit geleistet! Sogar die Usambaraveilchen sind fort! Alle fort. Alle – fort !«
» Haben Sie sie gesehen? «
»Ich brauchte sie nicht zu sehen! Sie ist die einzige, die mich hinreichend haßt, um mir so etwas anzutun! Und die Blumenbeete sind voll von den Abdrücken ihrer hohen Absätze. Ich könnte schwören, daß diese kleine Schlampe ihre hohen Absätze sogar im Bett trägt. – Oh, Mr. Gaunt«, jammerte sie, »jedesmal, wenn ich die Augen schließe, verfärbt sich alles purpurrot! Was soll ich bloß tun?«
Mr. Gaunt schwieg einen Moment. Er sah sie nur an, sah ihr in die Augen, bis sie ruhig und weit fort war.
»Ist es jetzt besser?« fragte er schließlich.
»Ja!« erwiderte sie mit schwacher, erleichterter Stimme. »Ich glaube, ich kann wieder das Blau sehen...«
»Aber Sie sind zu aufgeregt, um an Einkaufen auch nur zu denken .«
»Ja...«
»Sie müßte dafür bezahlen.«
»Ja.«
»Wenn sie so etwas noch einmal versucht, wird sie dafür zahlen.«
»Ja.«
»Ich habe vielleicht das Richtige für Sie. Bleiben Sie hier sitzen, Mrs. Potter. Ich bin in einer Minute zurück. Denken Sie inzwischen blaue Gedanken.«
»Blau«, stimmte sie verträumt zu.
Als Mr. Gaunt zurückkehrte, legte er eine der automatischen Pistolen, die Ace aus Cambridge geholte hatte, in Lenore Potters Hände. Sie war voll geladen und funkelte im Licht der Punktstrahler fettig blauschwarz.
Lenore hob die Waffe auf Augenhöhe und betrachtete sie mit großem Vergnügen und noch größerer Erleichterung.
»Ich käme natürlich nie auf die Idee, jemandem einzureden, daß er einen anderen erschießt«, sagte Mr. Gaunt. »Zumindest nicht ohne einen sehr guten Grund . Aber Sie machen auf mich den Eindruck einer Frau, die vielleicht einen sehr guten Grund hat . Nicht wegen der Blumen – wir wissen beide, daß sie nicht das eigentlich Wichtige sind. Blumen sind ersetzbar. Aber Ihr Karma – Ihre calava – nun, was sonst ist es, was einen Menschen – jeden Menschen – wirklich ausmacht?« Und er lachte mißbilligend.
»Nichts«, pflichtete sie ihm bei und richtete die Automatik auf die Wand. »Paff. Paff, paff, paff. Das ist für dich, du neidische kleine Pfennigabsatz-Schlampe. Ich hoffe, dein Mann endet als Müllsammler. Das ist es, was er verdient. Das ist es, was ihr beide verdient.«
»Sie sehen den kleinen Hebel hier, Mrs. Potter?« Er zeigte ihn ihr.
»Ja, ich sehe ihn.«
»Das ist die Sicherung. Wenn das Weibsstück wiederkommen und versuchen sollte, noch mehr Schaden anzurichten, dann müssen Sie ihn zuerst betätigen. Verstehen Sie?«
»Oh, ja«, sagte Lenore mit ihrer schläfrigen Stimme. »Ich verstehe vollkommen. Paff, paff.«
»Niemand würde Ihnen einen Vorwurf daraus machen. Schließlich muß eine Frau ihren Besitz schützen. Eine Frau muß ihr Karma schützen. Wahrscheinlich wird diese Bonsaint-Kreatur nicht wiederkommen, aber wenn sie es tut...«
Er sah sie vielsagend an.
»Wenn sie es tut, dann wird es das letzte Mal gewesen sein.« Lenore hob den kurzen Lauf der Automatik an die Lippen und küßte sie sanft.
»So, und nun stecken Sie das in Ihre Handtasche«, sagte Mr. Gaunt, »und gehen Sie nach Hause. Schließlich könnte sie gerade jetzt in Ihrem Garten sein. Oder sogar in Ihrem Haus.«
Lenore schaute entsetzt drein. Dünne Fäden von finsterem Purpur begannen ihre blaue Aura zu durchziehen. Sie stand auf, verstaute die Automatik in ihrer Handtasche. Mr. Gaunt wendete seinen Blick ab, und sobald er es getan hatte, blinzelte sie mehrmals rasch hintereinander.
»Es
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