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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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roch so faul wie ein toter Fisch, der drei Tage in der heißen Sonne gelegen hat.
    »Lassen wir es dabei bewenden«, sagte Polly. »Der Versuch, nicht wütend auf dich zu sein, ist zu anstrengend. Komm mit hinein. Sprich selbst mit Mr. Gaunt. Es wird ohnehin Zeit, daß du ihn kennenlernst. Vielleicht kann er besser erklären, was das Amulett bewirkt – und was es nicht bewirkt.«
    Er sah wieder auf die Uhr. Vierzehn Minuten vor drei. Einen Moment lang dachte er daran, ihrem Vorschlag zu folgen und die Unterhaltung mit Brian Rusk auf später zu verschieben. Aber den Jungen abzufangen, wenn er aus der Schule kam – ihn abzufangen, wenn er nicht zu Hause war -, fühlte sich richtig an. Er würde bessere Antworten bekommen, wenn er ihn in Abwesenheit seiner Mutter befragte, die dabei sein würde wie eine Löwin, die ihr Junges bewacht, die ihn unterbrechen und den Jungen vielleicht sogar anweisen würde, keine Fragen zu beantworten. Ja, darauf lief es hinaus: wenn sich herausstellte, daß ihr Sohn etwas zu verbergen hatte, oder wenn Mrs. Rusk auch nur glaubte , daß das der Fall war, dann würde es für Alan schwer oder sogar unmöglich sein, die Informationen zu erhalten, die er brauchte.
    Hier hatte er einen potentiellen Trickbetrüger; in Brian Rusk hatte er möglicherweise den Schlüssel, der einen Doppelmord aufschloß.
    »Ich kann nicht, Liebling«, sagte er. »Vielleicht später am Tage. Ich muß hinüber zur Middle School und mit jemandem reden, und zwar sofort.«
    »Geht es um Nettie?«
    »Es geht um Wilma Jerzyck – aber wenn meine Vermutung zutrifft, dann geht es auch um Nettie, ja. Wenn ich etwas herausbekomme, erzähle ich dir später davon. Aber in der Zwischenzeit könntest du mir einen Gefallen tun.«
    »Alan, ich kauf es! Es sind nicht deine Hände!«
    »Nein, ich weiß, daß du es kaufen wirst. Ich möchte nur, daß du mit einem Scheck bezahlst. Es gibt keinen Grund, weshalb er nicht damit einverstanden sein sollte – das heißt, wenn er ein seriöser Geschäftsmann ist. Du bist hier ansässig, und deine Bank ist drüben auf der anderen Straßenseite. Aber wenn sich herausstellen sollte, daß irgend etwas nicht ganz koscher ist, dann hast du ein paar Tage Zeit, um den Scheck sperren zu lassen.«
    »Ich verstehe«, sagte Polly. Ihre Stimme war ruhig, aber Alan registrierte betroffen, daß er nun doch auf einem der glitschigen Trittsteine ausgerutscht und der Länge nach in den Bach gefallen war. »Du denkst, er ist ein Gauner, nicht wahr, Alan? Du denkst, er würde dem leichtgläubigen Mädchen sein Geld abknöpfen, seine Zelte abbrechen und sich mitten in der Nacht davonstehlen.«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Alan gelassen. »Was ich weiß, ist, daß er sein Geschäft hier in der Stadt erst seit einer Woche betreibt. Und deshalb scheint mir die Bezahlung mit einem Scheck eine angemessene Vorsichtsmaßnahme zu sein.«
    Ja, er argumentierte vernünftig, das sah Polly ein. Und es war gerade diese Vernünftigkeit, diese hartnäckige Rationalität angesichts dessen, was ihr wie eine authentische Wunderkur vorkam, was jetzt ihren Zorn entfachte. Sie kämpfte gegen den Drang an, ihm mit den Fingern ins Gesicht zu schnippen und zu schreien: SIEHST DU DAS, ALAN? BIST DU BLIND? Die Tatsache, daß Alan recht hatte, daß Mr. Gaunt ihren Scheck widerspruchslos akzeptieren würde, wenn er ein ehrlicher Geschäftsmann war, machte sie nur noch wütender.
    Sei vorsichtig, wisperte eine Stimme. Sei vorsichtig, übereile nichts, schalte deinen Verstand ein, bevor du redest. Denke daran, daß du diesen Mann liebst.
    Aber eine andere Stimme, eine kältere Stimme, eine, die sie kaum als ihre eigene erkannte, erwiderte: Tue ich das? Tue ich das wirklich?
    »Also gut«, sagte sie mit verkniffenen Lippen und rückte auf ihrem Sitz von ihm fort. »Danke, daß du dich um mein Wohlergehen kümmerst, Alan. Manchmal vergesse ich nämlich, wie sehr ich auf jemanden angewiesen bin, der das tut. Ich werde ihn mit einem Scheck bezahlen.«
    »Polly...«
    »Nein, Alan. Schluß jetzt. Ich kann heute nicht noch länger auf dich wütend sein.« Sie öffnete die Tür und stieg mit einer geschmeidigen Bewegung aus. Der Trägerrock rutschte hoch und entblößte sekundenlang ein atemberaubendes Stück Schenkel.
    Er wollte an seiner Seite aussteigen, wollte sie aufhalten, mit ihr reden, sie besänftigen, ihr sagen, daß er nur deshalb seine Zweifel ausgesprochen hatte, weil er sie liebte. Dann sah er wieder auf die Uhr. Es war neun Minuten

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