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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dem Sheriff nachdenken sollten. Sie werden feststellen, daß alles auf eine simple Wahl hinausläuft: ein bißchen Kummer jetzt anstelle von sehr viel Kummer später. Anders ausgedrückt: Leute, die in Eile heiraten, haben oft Muße, es zu bedauern.«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Ich weiß, daß Sie das nicht tun. Wenn Sie Ihre Post durchgesehen haben, werden Sie mich besser verstehen. Sie werden sehen, daß ich nicht der einzige bin, in dessen Angelegenheiten er herumschnüffelt. Aber kommen wir erst einmal zu dem kleinen Streich, den Sie spielen sollen. Er betrifft einen Mann, den ich vor kurzem eingestellt habe. Sein Name ist Merrill.«
    »Ace Merrill?«
    Sein Lächeln verschwand. »Unterbrechen Sie mich nicht, Polly. Kommen Sie nie wieder auf die Idee, mich zu unterbrechen, wenn ich etwas sage. Es sei denn, Sie wollen, daß Ihre Hände anschwellen wie Schläuche, die mit Giftgas gefüllt sind.«
    Sie wich vor ihm zurück, und ihre träumenden, verträumten Augen waren weit aufgerissen. »Es – es tut mir leid.«
    »Ich nehme Ihre Entschuldigung an – für diesmal. Und nun hören Sie zu. Hören Sie ganz genau zu.«

9
     
    Frank Jewett und Brion McGinley, der Erdkundelehrer und Basketball-Trainer der Middle School, traten aus Zimmer 6 unmittelbar hinter Alice Tanner in das äußere Büro. Frank grinste und erzählte Brion einen Witz, den er früher am Tag von einem Schulbuchvertreter gehört hatte. Er handelte von einem Arzt, der Mühe hatte, die Krankheit einer Frau zu diagnostizieren. Er hatte das Feld auf zwei Möglichkeiten eingeengt – AIDS oder Alzheimer -, aber weiter kam er nicht.
    »Also nahm der Ehemann der Frau den Doktor beiseite«, fuhr Frank fort, als sie das äußere Büro betraten. Alice stand an ihrem Schreibtisch und sortierte ein kleines Häufchen darauf liegender Meldungen, und Frank senkte die Stimme. Alice konnte ziemlich ungemütlich werden, wenn es um Witze ging, die nicht ganz astrein waren.
    »Und?« Jetzt begann auch Brion zu grinsen.
    »Und der Mann war mächtig aufgebracht. Er sagte: >Himmel, Doc – gibt es denn nicht irgendeine Möglichkeit, herauszufinden, welche Krankheit sie nun wirklich hat?<«
    Alice wählte von den rosa Meldezetteln zwei aus und machte sich mit ihnen auf den Weg ins innere Büro. Sie kam bis zur Tür und blieb dann unvermittelt stehen, als wäre sie gegen eine unsichtbare Steinmauer gerannt. Keiner der beiden grinsenden, weißen Kleinstadtmänner mittleren Alters bemerkte es.
    »>Doch, es ist ganz einfach‹, sagt der Doktor. >Gehen Sie mit ihr ungefähr fünfundzwanzig Meilen weit in den Wald und lassen Sie sie dort zurück. Wenn sie zurückfindet, dann ficken Sie sie nicht.‹«
    Brion McGinley starrte seinen Chef einen Augenblick lang verständnislos an, dann brach er in brüllendes Gelächter aus. Schulprinzipal Jewett stimmte in das Gelächter ein. Sie lachten so schallend, daß keiner hörte, als Alice zum erstenmal Franks Namen rief. Das zweitemal war es kein Problem. Das zweite Mal kreischte sie ihn fast.
    Frank eilte zu ihr. Sein erster Gedanke war Vandalismus, irgendein stupider Akt eines jugendlichen Delinquenten. »Alice? Was...« Und dann sah er, um was es ging, und eine entsetzliche, glasige Angst ergriff von ihm Besitz. Seine Worte trockneten ein. Er spürte, daß seine Hoden wie wahnsinnig kribbelten, als versuchten sie, sich dorthin zurückzuziehen, wo sie hergekommen waren.
    Es waren die Zeitschriften.
    Die geheimen Zeitschriften aus der untersten Schublade.
    Sie waren über das ganze Büro verstreut wie Konfetti: Jungen in Uniformen, Jungen auf Heuböden, Jungen mit Strohhüten, Jungen, die auf Steckenpferden ritten, aber nicht so, wie es in der Absicht des Herstellers gelegen hatte.
    »Was in Gottes Namen?« Die Stimme, heiser vor Abscheu und Faszination, kam von Franks linker Seite. Er drehte den Kopf (wobei die Sehnen in seinem Hals knarrten wie rostige Scharniere) und sah, daß Brion McGinley auf die verstreuten Zeitschriften starrte. Es fehlte nicht viel, daß ihm die Augen aus dem Gesicht gefallen wären.
    Ein Streich , versuchte er zu sagen. Ein dummer Streich, das ist alles, diese Zeitschriften gehören nicht mir. Sie brauchen sie nur anzusehen, um zu wissen, daß solche Zeitschriften völlig – völlig belanglos sind für einen Mann – einen Mann von meiner...
    Seiner was?
    Er wußte es nicht, und es spielte im Grunde auch keine Rolle, weil auch ihm die Sprache versagte. Total versagte.
    Die drei Erwachsenen

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