In einer kleinen Stad
geweigert, zuzuhören.
Norman Harper, ein Mann, der zehn Kilo schwerer war als Albert Gendron und fast ebenso groß, war bei dem schrillen, fast hysterischen Ton von Roses Stimme ein wenig unbehaglich zumute, aber das sagte er nicht. »Dieser alter irische Dickschädel ist ein bißchen nervös wegen der Karte, die Sie im Pfarrhaus gefunden haben, das ist alles. Er hat eingesehen, daß das zu weit ging. Er bildet sich ein, wenn er behauptet, einer seiner eigenen Gefolgsleute hätte einen ebenso unfältigen Brief bekommen, dann würde das uns ins Unrecht setzen.«
»Nun, das wird nicht funktionieren!« Roses Stimme war schriller als je zuvor. »Niemand in meiner Gemeinde würde mit derartigem Schmutz etwas zu tun haben wollen! Niemand!« Seine Stimme zersplitterte an dem letzten Wort. Seine Hände öffneten und schlossen sich krampfhaft. Norman und Don wechselten einen schnellen, unbehaglichen Blick. Sie hatten im Laufe der letzten paar Wochen mehrfach über das Verhalten gesprochen, das Rev. Rose immer häufiger an den Tag legte. Die Geschichte mit der Kasino-Nacht riß Bill förmlich auseinander. Die beiden Männer fürchteten, daß er womöglich einen Nervenzusammenbruch erleiden würde, bevor die Lage endgültig geklärt war.
»Regen Sie sich nicht auf, Bill«, sagte Don beruhigend. »Wir wissen, was dahintersteckt.«
»Ja!« schrie der Rev. Rose und fixierte die beiden Männer mit zitterndem, unstetem Blick. »Ja, ihr wißt es – ihr beide. Und ich – ich weiß es auch! Aber wie steht es mit den anderen Leuten in dieser Stadt-äh? Wissen sie es?«
Darauf konnten weder Norman noch Don eine Antwort geben.
»Ich hoffe, irgend jemand jagt diesen verlogenen Götzenanbeter mit Schimpf und Schande aus der Stadt!« schrie William Rose, ballte die Fäuste und schwang sie hilflos. »Mit Schimpf und Schande! Ich würde dafür bezahlen, um das zu sehen! Eine Menge Geld würde ich dafür bezahlen!«
Am Montag hatte Father Brigham herumtelefoniert und diejenigen, die sich >für die gegenwärtige Atmosphäre religiöser Anfeindungen in Castle Rock< interessierten, aufgefordert, am Abend zu einer kurzen Versammlung im Pfarrhaus zu erscheinen. Es waren so viele Leute gekommen, daß die Versammlung in den benachbarten Saal der Kolumbus-Ritter umziehen mußte.
Brigham begann damit, daß er über den Brief sprach, den Albert Gendron an seiner Tür gefunden hatte – den vorgeblich von den >betroffenen baptistischen Männern von Castle Rock< geschriebenen Brief -, und berichtete dann über sein enttäuschendes Telefongespräch mit Rev. Rose. Als er der Versammlung mitteilte, daß Rose behauptete, gleichfalls einen obszönen Brief erhalten zu haben, einen Brief, der vorgeblich von den >betroffenen katholischen Männern von Castle Rock< stammte, wurde in der Menge Grollen laut – zuerst bestürzt, dann wütend.
»Der Mann ist ein verdammter Lügner!« rief jemand aus dem Hintergrund des Saales.
Father Brigham schien gleichzeitig zu nicken und den Kopf zu schütteln. »Mag sein, Sam, aber darum geht es hier nicht. Er ist total verrückt – ich glaube, darum geht es in Wirklichkeit.«
Darauf reagierten die Anwesenden mit nachdenklichem, besorgtem Schweigen, aber Father Brigham verspürte dennoch eine fast greifbare Erleichterung. Total verrückt; es war das erstemal, daß er diese Worte laut ausgesprochen hatte, obwohl sie ihm seit mindestens drei Jahren im Kopf herumgingen.
»Ich werde mich von einem religiösen Spinner nicht aufhalten lassen«, fuhr Father Brigham fort. »Unsere Kasino-Nacht ist harmlos und dient einem guten Zweck, einerlei, was Steamboat Willie davon hält. Aber ich bin der Ansicht, daß wir, da er immer schrillere Töne angeschlagen hat und immer instabiler geworden ist, darüber abstimmen sollten. Wer dafür ist, daß wir die Kasino-Nacht absagen – daß wir uns im Interesse der Sicherheit dem Druck beugen -, der sollte es sagen.«
Das Votum, die Kasino-Nacht wie geplant durchzuführen, war einstimmig gefallen.
Father Brigham nickte erfreut. Dann schaute er zu Betsy Vigue. »Sie wollen morgen abend eine Planungssitzung abhalten, ist das richtig, Betsy?«
»Ja, Father.«
»Dann darf ich vorschlagen«, sagte Father Brigham, »daß wir Männer uns zur gleichen Zeit hier im Saal der Kolumbus-Ritter treffen.«
Albert Gendron, ein massiger Mann, der nur langsam in Wut geriet und den die Wut nur ebenso langsam wieder verließ, erhob sich bedachtsam und richtete sich zu seiner vollen Höhe auf. »Wollen
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