In einer kleinen Stad
sich unwillkürlich eine Hand vor Nase und Mund. Er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Es war der unglaublichste, widerwärtigste Gestank, der ihm je begegnet war. »Was – was ist passiert?«
»Passiert?« brüllte Don Hemphill. »Passiert? Ich werde Ihnen sagen, was passiert ist! Ich werden allen sagen, was passiert ist!«
Er fuhr zu der Gemeinde herum, und trotz des Gestankes, der an ihm hing und sich um ihn herum verbreitete, wurden die Leute still, als er seine wütenden Augen auf sie richtete.
»Die verdammten Schweine haben eine Stinkbombe in meinen Laden geworfen, das ist passiert! Es waren nicht mehr als ein halbes Dutzend Leute darin, weil ich eine Notiz aufgehängt hatte, daß ich heute früher schließen würde, und Gott sei Dank dafür, aber die Ware ist ruiniert. Die gesamte Ware! Im Wert von vierzigtausend Dollar! Ruiniert! Ich weiß nicht, was die Schweine benutzt haben, aber der Laden wird tagelang stinken!«
»Wer?« fragte Rev. Rose mit verzagter Stimme. »Wer hat es getan, Don?«
Don Hemphill griff in die Tasche seiner Schürze. Er holte ein schwarzes Band mit einer weißen Kerbe und einen Stapel von Handzetteln heraus. Das Band war ein katholischer Priesterkragen. Er hielt ihn hoch, so daß alle ihn sehen konnten.
»WAS ZUM TEUFEL GLAUBEN SIE DENN?« schrie er. »Mein Laden! Meine Ware! Alles ist ruiniert, und was glauben Sie?«
Er warf die Handzettel den fassungslosen Baptistischen Streitern Christi wider das Glücksspiel zu. Sie lösten sich in der Luft voneinander und segelten herab wie Konfetti. Einige der Anwesenden streckten eine Hand aus und griffen danach. Sie waren alle gleich; jeder zeigte eine Gruppe von lachenden Männern und Frauen, die einen Roulettetisch umstanden
NUR DES SPASSES WEGEN!
stand über dem Bild, und darunter
KOMMT ALLE ZUR >KASINO-NACHT<
IN DER HALLE DER KOLUMBUS-RITTER
31. OKTOBER 1991
ZUGUNSTEN DES KATHOLISCHEN BAUFONDS
»Wo haben Sie diese Zettel gefunden, Don?« fragte Len Milliken mit ominös grollender Stimme. »Und diesen Kragen?«
»Jemand hat sie neben die Tür gelegt«, sagte Don, »kurz bevor alles zum Teufel...«
Die Vestibültür knallte abermals, und alle fuhren zusammen, nur wurde sie diesmal nicht geöffnet, sondern zugeschlagen.
»Ich hoffe, euch gefällt der Geruch, ihr baptistischen Tunten!« rief jemand. Dann war ein schrilles, tückisches Gelächter zu hören.
Die Gemeinde starrte Rev. William Rose mit verängstigten Augen an. Er starrte zurück, mit Augen, die gleichermaßen verängstigt waren. Und das war der Moment, in dem der im Chor versteckte Kasten plötzlich zu zischen begann. Wie der von der inzwischen verstorbenen Myrtle Keeton in der Halle der Töchter der Isabella praktizierte Kasten enthielt auch dieser (deponiert von dem inzwischen in Polizeigewahrsam sitzenden Sonny Jackett) einen Zeitzünder, der den ganzen Nachmittag getickt hatte.
Wolken von unvorstellbar heftigem Gestank begannen durch die in die Seiten des Kastens eingelassenen Gitter herauszudringen.
In der United Baptist Church von Castle Rock hatte der Spaß gerade erst angefangen.
3
Babs Miller schlich an der Seitenfront der Halle der Töchter der Isabella entlang, jedesmal erstarrend, wenn ein blauweißer Lichtblitz über den Himmel zuckte. Sie hatte eine Brechstange in der einen und eine von Mr. Gaunts automatischen Pistolen in der anderen Hand. Die Spieldose, die sie bei Needful Things gekauft hatte, steckte in einer Tasche des Männermantels, den sie trug, und wenn jemand sie zu stehlen gedachte, dann würde er eine Portion Blei zu kosten bekommen.
Wer würde auf die Idee kommen, etwas derart Verworfenes, Gemeines zu tun? Wer würde die Spieldose stehlen wollen, bevor Babs überhaupt herausgefunden hatte, welche Melodie sie spielte?
Nun, dachte sie, drücken wir es so aus – ich hoffe, Cyndi Rose Martin kommt nicht auf die Idee, mir heute abend ihr Gesicht zu zeigen. Denn wenn sie das tut, wird sie nie wieder irgend jemandem ihr Gesicht zeigen – jedenfalls nicht auf dieser Seite der Hölle. Was glaubt sie denn, was ich bin – blöde?
In der Zwischenzeit hatte sie einen kleinen Job zu erledigen. Einen Streich. Auf Mr. Gaunts Geheiß natürlich.
Sie kennen doch Betsy Vigue? hatte Mr. Gaunt gefragt. Sie kennen sie, nicht wahr?
Natürlich kannte sie sie. Sie kannte Betsy seit der Grundschule, in der sie oft gemeinsam Pausenaufsicht gehabt hatten und unzertrennliche Freundinnen gewesen waren.
Gut. Beobachten Sie sie durch das
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