In einer kleinen Stad
Kirche.
Diejenigen, die die Vestibültüren als erste erreichten, mußten feststellen, daß es hier kein Entkommen gab; irgend jemand hatte die Türen verschlossen. Bevor sie umkehren konnten, wurden diese Anführer des vorgeschlagenen Exodus von den Nachdrängenden gegen die verschlossenen Türen gequetscht.
Kreischen, Wutschreie und wütende Flüche flatterten durch die Luft. Und als draußen der Regen einsetzte, setzte drinnen das Erbrechen ein.
5
Betsy Vigue setzte sich auf ihren Platz am Tisch der Präsidentin zwischen der amerikanischen Flagge und dem Banner mit dem Prager Jesuskind. Sie klopfte ruhefordernd auf den Tisch, und die Damen – an die vierzig – begannen, ihre Plätze einzunehmen. Draußen rollte der Donner über den Himmel. Es gab leise Aufschreie und nervöse Lacher.
»Ich erkläre die Versammlung der Töchter der Isabella für eröffnet«, sagte Betsy und griff nach der Tagesordnung. »Wir beginnen wie gewöhnlich mit dem Verlesen...«
Sie brach ab. Auf dem Tisch lag ein weißer Geschäftsumschlag. Er hatte sich unter der Tagesordnung befunden. Die darauf getippten Worte sprangen ihr in die Augen.
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Nein, dachte sie. Diese Baptisten. Diese widerlichen, gemeinen, engherzigen Leute.
»Betsy?« frage Naomi Jessup. »Stimmt etwas nicht?«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Vermutlich.«
Sie riß den Umschlag auf. Ein Blatt Papier glitt hinaus. Darauf stand die folgende Botschaft:
DIES IST DER GERUCH KATHOLISCHER FOTZEN!
Ein zischendes Geräusch kam plötzlich aus der linken hinteren Ecke der Halle, ein Geräusch wie von einem überlasteten Dampfrohr. Mehrere Frauen schrien auf und drehten die Köpfe in diese Richtung. Draußen ertönte ein heftiger Donnerschlag, und diesmal waren die Schreie echt. Aus einer der Nischen an der Seite der Halle quoll ein weißlich-gelber Dampf. Und plötzlich war das kleine, nur aus einem Raum bestehende Gebäude mit dem entsetzlichsten Gestank erfüllt, der ihnen je begegnet war.
Betsy sprang auf und warf dabei ihren Stuhl um. Sie hatte gerade den Mund geöffnet – ohne eine Ahnung zu haben, was sie sagen wollte -, als draußen eine Frauenstimme rief: »Das ist wegen der Kasino-Nacht, ihr Weiber! Bereuet! Bereuet!«
Sie erhaschte einen Blick auf jemanden außerhalb der Tür; dann verhüllte die widerliche, aus der Nische hervorquellende Wolke das Fenster – und dann kümmerte es sie nicht mehr. Der Gestank war unerträglich.
Ein Inferno brach aus. Die Töchter der Isabella wogten in dem stinkenden Raum hin und her wie wahnsinnig gewordene Schafe. Als Antonia Bissette rückwärts gestoßen wurde und sich an der Stahlkante des Tisches der Präsidentin das Genick brach, hörte oder bemerkte es niemand.
Draußen krachte Donner und zuckten Blitze.
6
Die katholischen Männer in der Halle der Kolumbus-Ritter hatten sich in einem lockeren Kreis um Albert Gendron geschart. Den Brief, den er an der Tür seiner Praxis gefunden hatte, als Ausgangspunkt benutzend (»Oh, das ist noch gar nichts – ihr hättet dabei sein sollen, als...«), unterhielt er sie mit gräßlichen und dennoch faszinierenden Geschichten über Katholikenhatz und katholische Rache in Lewiston in den dreißiger Jahren.
»Und nachdem er gesehen hatte, daß diese Horde von ignoranten Holy Rollers die Füße der Jungfrau Maria mit Kuhfladen bedeckt hatten, sprang er in seinen Wagen und fuhr...«
Albert brach plötzlich ab und lauschte.
»Was war das?«
»Donner«, sagte Jake Pulaski. »Das wird ein mächtiges Gewitter.«
»Nein – das...« sagte Albert und stand auf. »Hörte sich an wie Schreie.«
Der Donner schwächte sich vorübergehend zu einem leisen Grollen ab, und in der Pause hörten sie es alle: Frauen. Schreiende Frauen.
Sie drehten sich zu Father Brigham um, der gleichfalls aufgestanden war. »Kommt, Männer!« sagte er. »Wir wollen...«
Da setzte das Zischen ein, und der Gestank begann vom hinteren Ende der Halle auf die Stelle zuzuwogen, an der die Männer beieinanderstanden. Eine Fensterscheibe zerklirrte, und ein Stein rollte träge über die im Laufe der Jahre von tanzenden Füßen mattglänzend polierten Fußboden. Männer schrien auf und wichen zurück. Der Stein rollte bis zur entgegengesetzten Wand, tat noch einen Hopser und lag dann still.
»Höllenfeuer von den Baptisten!«, schrie draußen jemand. »Kein Glücksspiel in Castle Rock! Verbreitet die Botschaft, ihr Nonnenficker!«
Auch die Foyertür der Halle der
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