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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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seinem letzten Ort auf Erden. Er fuhr nicht zu schnell; er schleuderte nicht hin und her. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, daß Annie die Kontrolle über ihn verloren hatte oder die Gefahr bestand, daß sie sie verlieren könnte.
    Alan beugte sich vor neben dem summenden Recorder; Schweiß rann ihm übers Gesicht, das Blut hämmerte heftig in seinen Schläfen. Er spürte, wie sich seine Kehle verkrampfte.
    Das ist nicht wirklich. Es ist gestellt. Sie sind es nicht; vielleicht sitzen eine Schauspielerin und ein junger Schauspieler in dem Auto; sie tun so, als wären sie es, aber sie sind es nicht. Es kann nicht sein.
    Dennoch wußte er, daß sie es waren. Was sonst sollte man auf Bildern sehen, die von einem Recorder auf einen Fernseher übertragen werden, der nirgends angeschlossen war und trotzdem funktionierte? Was sonst – außer der Wahrheit?
    Eine Lüge! rief Brian Rusks Stimme, aber sie war fern und leicht zu überhören. Eine Lüge, Sheriff, eine Lüge! EINE LÜGE!
    Jetzt konnte er das Nummernschild an dem herankommenden Scout erkennen. 24912 V. Annies Zulassungsnummer.
    Plötzlich sah Alan hinter dem Scout ein weiteres Funkeln. Ein zweiter Wagen, der schnell näherkam, den Abstand verringerte.
    Draußen flog die Tin Bridge mit monströsem Gewehrschußknall in die Luft. Alan hörte ihn nicht einmal. Seine gesamte Konzentration war auf den Bildschirm des roten Sony-Fernsehers gerichtet, auf dem sich Annie und Todd dem Baum näherten, der zwischen ihnen und dem Rest ihres Lebens stand.
    Der Wagen hinter ihnen fuhr mit einer Geschwindigkeit von hundertzwanzig, vielleicht sogar hundertdreißig Stundenkilometern. Als sich der Scout der Position des Kameramannes näherte, näherte sich der zweite Wagen – der in keinem Bericht erwähnt worden war – dem Scout. Offenbar sah Annie ihn auch; der Scout begann zu beschleunigen, aber es genügte nicht. Und es war zu spät.
    Der zweite Wagen war ein limonengrüner Dodge Challenger, hinten hochgelagert, so daß seine Nase auf die Straße zeigte. Durch die Colorscheiben hindurch konnte man undeutlich den Überrollbügel erkennen, der sich zwischen den Vorder- und Rücksitzen über das Dach wölbte. Obwohl das Band ohne Ton lief, konnte Alan fast das Tosen und Knattern der Gase in den Auspuffrohren hören.
    »Ace!« schrie er in qualvollem Begreifen. Ace! Ace Merrill! Rache! Natürlich! Weshalb war ihm dieser Gedanke nicht schon früher gekommen?
    Der Scout passierte die Kamera, die nach rechts schwenkte, um ihm zu folgen. Alan konnte einen Augenblick lang ins Innere schauen, und ja – es war Annie, mit dem Paisleyschal, den sie an diesem Tag um den Kopf trug, und Todd in seinem Star Trek-T-Shirt. Todd hatte den Kopf gedreht, um den hinter ihnen herankommenden Wagen zu sehen. Annie schaute in den Rückspiegel. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ihr Körper lehnte sich angespannt nach vorn und zog den Sicherheitsgurt straff. Er hatte diesen letzten kurzen Blick auf seine Frau und seinen Sohn, und er begriff, daß er sie nicht sehen wollte, wenn es keinerlei Hoffnung gab, den Ausgang zu ändern: er wollte das Grauen ihrer letzten Augenblicke nicht sehen.
    Doch jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Der Challenger rammte den Scout. Es war kein heftiger Aufprall, aber Annie hatte beschleunigt, und er war heftig genug. Der Scout verfehlte die Kurve, kam von der Straße ab und raste auf das Wäldchen zu, in dem die große Kiefer wartete.
    »NEIN!« schrie Alan.
    Der Scout holperte in den Straßengraben und wieder heraus. Er kippte auf zwei Räder, kam wieder herunter und prallte mit lautlosem Krachen gegen den Stamm der Kiefer. Eine Lumpenpuppe mit einem Paisleyschal um den Kopf flog durch die Windschutzscheibe, knallte gegen den Baum und landete im Unterholz.
    Der limonengrüne Challenger hielt am Straßenrand.
    Die Fahrertür wurde geöffnet.
    Ace Merrill stieg aus.
    Er blickte hinüber, wo das Wrack des Scout lag, jetzt kaum noch sichtbar in dem Dampf, der aus seinem geplatzten Kühler entwich, und er lachte.
    »NEIN!« schrie Alan abermals und schob den Videorecorder mit beiden Händen von der Vitrine herunter. Er landete auf dem Boden, aber er zerbrach nicht, und das Koaxialkabel war zu lang, um herausgerissen zu werden. Ein kurzes Flimmern flackerte über den Bildschirm, aber das war alles, Alan konnte sehen, wie Ace wieder in seinen Wagen stieg, immer noch lachend, und dann ergriff er den roten Fernseher, hob ihn über den Kopf und schleuderte ihn an die Wand. Es gab

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