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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Strafzettel hoch und zerriß ihn in kleine Fetzen, die er dann in den Papierkorb warf. »So. Okay?«
    »Okay«, sagte Keeton und machte Anstalten, sich zu erheben.
    »Nein, bleiben Sie noch einen Moment sitzen.«
    Keetons buschige Brauen zogen sich unter seiner hohen, rosa Stirn zu einer Gewitterwolke zusammen.
    »Bitte«, setzte Alan hinzu. Er ließ sich auf seinem eigenen Drehstuhl nieder. Seine Hände kamen zusammen und versuchten, eine Amsel zu machen; Alan ertappte sich dabei und faltete sie fest auf der Schreibunterlage.
    »Nächste Woche findet eine Sitzung des Stadtrates statt, auf der über Budgetangelegenheiten und den Haushalt für das nächste Jahr geredet werden soll...« begann Alan.
    »So ist es«, knurrte Keeton.
    »... und das ist eine politische Sache«, fuhr Alan fort. »Das ist mir klar, und Ihnen ist es auch klar. Ich habe gerade ein voll gültiges Strafmandat zerrissen – aus politischen Erwägungen.«
    Keeton lächelte ein wenig. »Sie leben schon lange genug in dieser Stadt, um zu wissen, wie die Dinge liegen, Alan. Eine Hand wäscht die andere.«
    Alan bewegte sich auf seinem Stuhl, der dabei leise knarrte und quietschte – Geräusche, die er manchmal nach einem langen, harten Tag noch im Traum hörte. Dies schien so ein Tag werden zu wollen.
    »Ja«, sagte er. »Eine Hand wäscht die andere. Aber nur bis zu einem gewissen Grade.«
    Die Augenbrauen zogen sich wieder zusammen. »Und was bedeutet das?«
    »Das bedeutet, daß es einen Punkt gibt, sogar in kleinen Städten, an dem die Politik aufhört. Bedenken Sie, daß ich kein ernannter Beamter bin. Die Mitglieder des Stadtrats mögen den Daumen auf dem Portemonnaie haben, aber mich haben die Leute gewählt. Und sie haben mich gewählt, damit ich sie beschütze und dem Gesetz Geltung verschaffe. Darauf habe ich einen Eid geleistet, und den gedenke ich zu halten.«
    »Wollen Sie mir etwa drohen? Denn wenn Sie das tun...«
    Genau in diesem Augenblick schrillte die Fabriksirene. Sie war hier drinnen nur gedämpft zu hören, aber Keeton fuhr trotzdem zusammen, als wäre er von einer Wespe gestochen worden. Seine Augen waren einen Moment lang weit aufgerissen und seine Hände umklammerten wie weiße Klauen die Lehnen seines Stuhls.
    Alan war abermals erstaunt. Er ist nervös wie eine rossige Stute. Was zum Teufel ist los mit ihm?
    Zum erstenmal stellte sich ihm die Frage, ob Mr. Danforth Keeton, der schon jahrelang Vorsitzender des Stadtrats von Castle Rock gewesen war, bevor Alan selbst von diesem Ort gehört hatte, sich vielleicht auf etwas eingelassen hatte, das nicht ganz koscher war.
    »Ich drohe Ihnen nicht«, sagte er. Keeton begann, sich zu entspannen, aber behutsam – als fürchte er, die Fabriksirene könnte wieder losgehen, nur um ihm einen Schrecken einzujagen.
    »Das ist gut. Weil es nicht nur eine Sache des Daumens auf dem Portemonnaie ist, Sheriff Pangborn. Der Stadtrat hat – zusammen mit den drei County Commissioners – das Recht, die Anstellung – oder Entlassung – der Deputies des Sheriffs zu genehmigen. Neben vielen anderen Genehmigungsrechten, die Ihnen sicher bekannt sind.«
    »Das ist nur ein Gummistempel.«
    »So ist es bisher immer gewesen«, pflichtete Keeton ihm bei. Er zog eine Roi-Tan-Zigarre aus der Innentasche seines Jacketts und rollte sie zwischen den Fingern, so daß das Zellophan knisterte. »Das bedeutet nicht, daß es so bleiben muß.«
    Und wer droht jetzt wem? dachte Alan, sprach es aber nicht aus. Statt dessen lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und musterte Keeton. Keeton hielt seinem Blick ein paar Sekunden lang stand, dann senkte er ihn auf die Zigarre und begann, an der Umhüllung zu zupfen.
    »Wenn Sie das nächste Mal auf dem Behinderten-Parkplatz stehen, schreibe ich den Strafzettel selbst aus, und der bleibt bestehen«, sagte Alan. »Und wenn Sie jemals wieder Hand an einen meiner Deputies legen, dann verhafte ich Sie wegen Körperverletzung. Und das wird geschehen, ganz gleich, wie viele Genehmigungsrechte der Stadtrat hat. Weil Politik bei mir nur bis zu einem gewissen Punkt geht. Haben Sie mich verstanden?«
    Keeton betrachtete eine ganze Weile seine Zigarre, als meditierte er. Als er wieder zu Alan aufschaute, hatten sich seine Augen in kleine, glitzernde Steine verwandelt. »Wenn Sie herausfinden wollen, wie hart mein Arsch ist, Sheriff Pangborn, dann machen Sie nur so weiter.« Auf Keetons Gesicht stand Wut geschrieben – ja, ganz eindeutig -, aber Alan hatte den Eindruck, daß da

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