Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
sich auf die Laken, krallte sich in sie hinein, begann, sie herunterzuzerren. Ihre Finger verhakten sich über der ersten Leine, und sie riß wie eine Gitarrenseite. Die Laken klatschten schwer und durchnäßt zu Boden. Mit geballten Fäusten, die Augen verkniffen wie ein Kind bei einem Wutanfall, tat Wilma einen einzigen, großen Sprung und landete auf einem der Laken. Es gab ein mattes, dumpfes Geräusch von sich, blähte sich auf und bespritzte ihre Nylons mit Schlamm. Das gab ihr den Rest. Sie öffnete den Mund und kreischte ihre Wut heraus. Oh, sie würde denjenigen finden, der ihr das angetan hatte. Das würde sie. Darauf konnte man Gift nehmen. Und wenn sie es tat...
    »Ist alles in Ordnung bei Ihnen, Mrs. Jerzyck?« Es war die Stimme von Mrs. Haverhill, leicht bebend vor Bestürzung.
    »Ja, verdammt nochmal, wir trinken Sterno und sehen Lawrence Welk, können Sie diesen verdammten Köter nicht zur Ruhe bringen? « kreischte Wilma.
    Sie trat von dem schlammigen Laken herunter, sie keuchte, und das Haar hing ihr in das gerötete Gesicht. Sie strich es heftig beiseite. Dieser Scheißköter würde sie zum Wahnsinn treiben. Kläffender Scheißkö...
    Der Gedanke brach mit einem fast hörbaren Knacken ab. Köter.
    Kläffende Scheißköter.
    Wer wohnte gleich um die Ecke, in der Ford Street?
    Korrektur: Welche Irre mit einem kläffenden Scheißköter namens Raider wohnte gleich um die Ecke?
    Nettie Cobb, die war es, die dort wohnte.
    Der Hund hatte das ganze Frühjahr hindurch gebellt, ein schrilles Welpengekläff, das einem unter die Haut geht; schließlich hatte Wilma Nettie angerufen und ihr erklärt, wenn sie den Hund nicht zum Schweigen brächte, sollte sie zusehen, daß sie ihn loswürde. Eine Woche später, als immer noch keine Wendung zum Besseren eingetreten war (zumindest keine, die zuzugeben Wilma bereit war), hatte sie Nettie abermals angerufen und ihr erklärt, wenn sie den Hund nicht zur Ruhe brächte, würde sie, Wilma, die Polizei anrufen müssen. Am nächsten Abend, als der verdammte Köter abermals mit seinem Gekläffe anfing, hatte sie es getan.
    Abermals etwa eine Woche später war Nettie in Hemphill’s Market erschienen (im Gegensatz zu Wilma schien Nettie zu den Leuten zu gehören, die sich etwas eine Weile durch den Kopf gehen lassen – und sogar darüber brüten – mußten, bevor sie zu irgendeiner Aktion imstande waren). Sie stand in der Schlange vor Wilmas Kasse, obwohl sie überhaupt nichts gekauft hatte. Als sie an der Reihe war, hatte sie mit einer quiekenden, atemlosen kleinen Stimme gesagt: »Sie hören auf, mir und meinem Raider Ärger zu machen, Wilma Jerzyck. Er ist ein gutes Hundchen, und Sie sollten lieber aufhören, Ärger zu machen.«
    Wilma, immer zu einem Streit aufgelegt, war nicht im mindesten betroffen, daß sie an ihrem Arbeitsplatz zur Rede gestellt wurde. Es gefiel ihr sogar. »Lady, Sie wissen nicht, was Ärger ist. Aber wenn Sie es nicht fertigbringen, Ihren verdammten Köter zur Ruhe zu bringen, werden Sie es erfahren.«
    Die Cobb war so bleich gewesen wie Milch, aber sie hatte sich aufgerichtet und ihre Handtasche so fest umklammert, daß die Sehnen an ihren mageren Unterarmen vom Handgelenk bis zum Ellenbogen deutlich hervortraten. Sie sagte: »Ich warne Sie«, dann eilte sie hinaus.
    »Oho, ich glaube, ich habe mir gerade in die Hose gemacht!« hatte Wilma ihr laut nachgerufen (ein bißchen Schlachtenlärm versetzte sie immer in gute Laune), aber Nettie drehte sich nicht um, sondern beschleunigte nur ihre Schritte.
    Danach war der Hund stiller geworden. Das war für Wilma eher eine Enttäuschung, denn es war ein langweiliger Frühling gewesen. Pete ließ keinerlei Anzeichen von Rebellion erkennen, und Wilma hatte unter einem Endwinter-Trübsinn gelitten, gegen den das junge Grün der Bäume und des Grases nichts auszurichten vermochten. Was sie wirklich brauchte, damit das Leben wieder Farbe und Aroma bekam, war eine gute Fehde. Eine Zeitlang schien es, als wäre die verrückte Nettie Cobb genau der richtige Gegner, aber da der Hund sich gut benahm, hatte Wilma das Gefühl, sich ihre Ablenkung anderswo suchen zu müssen.
    Dann fing eines Abends im Mai der Hund wieder an zu bellen. Der Köter hatte nur ein paarmal gekläfft, aber Wilma eilte trotzdem zum Telefon und rief Nettie an – sie hatte die Nummer im Telefonbuch angestrichen, nur für den Fall, daß sich eine solche Gelegenheit bieten würde.
    Sie verschwendete keine Zeit auf Höflichkeiten, sondern kam

Weitere Kostenlose Bücher