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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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solches Risiko einzugehen.
    Er wickelte den Draht ab, der den Schwanz an der Antenne hielt, kehrte damit ins Haus zurück und legte ihn wieder auf das oberste Bord des Schrankes. Diesmal machte er die Schranktür zu; aber sie ließ sich nicht richtig schließen.
    Muß ein Schloß für die Tür besorgen, dachte er. Jungen brechen überall ein. Haben heutzutage vor nichts mehr Respekt. Vor überhaupt nichts.
    Er ging zum Kühlschrank, holte eine Dose Bier heraus, betrachtete sie einen Moment, dann stellte er sie zurück. Ein Bier – auch vier oder fünf Bier – das war nicht das Rechte, ihn wieder ins Gleichgewicht zu bringen; so jedenfalls, wie ihm heute abend zumute war. Er öffnete einen der Unterschränke, tastete sich an einem Sortiment von Töpfen und Pfannen aus einem Ramschverkauf vorbei und fand die halbvolle Flasche Black Velvet, die dort für Notfälle bereitstand. Er füllte ein Geleeglas zur Hälfte, überlegte einen Moment, dann goß er es randvoll. Er nahm einen Schluck und dann noch einen, spürte, wie die Wärme in seinem Magen explodierte. Dann füllte er das Glas abermals. Jetzt fühlte er sich schon ein bißchen wohler, ein bißchen entspannter. Sein Blick wanderte zum Schrank, und er lächelte. Dort oben war er sicher, und er würde noch sicherer sein, sobald er sich aus dem Western Auto ein gutes, kräftiges Kreig-Vorhängeschloß geholt und es angebracht hatte. Es war gut, wenn man etwas hatte, das man sich wirklich wünschte, und das man brauchte; aber es war noch besser, wenn dieses Ding in Sicherheit war. Das war das allerbeste.
    Dann schwand das Lächeln aus seinem Gesicht.
    Hast du ihn deshalb gekauft? Damit er auf einem hohen Bord hinter einer verschlossenen Tür liegt?
    Er trank abermals, langsam. Na schön, das ist vielleicht nicht so gut. Aber immer noch besser, als ihn an irgendeinen diebischen Jungen zu verlieren.
    »Schließlich«, sagte er laut, »ist 1953 lange her. Jetzt leben wir in der modernen Zeit.«
    Er nickte, wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Dennoch verließ ihn der Gedanke nicht. Was nützte ihm der Fuchsschwanz, wenn er da oben lag? Ihm oder sonst jemandem?
    Aber zwei oder drei Drinks ließen das Zurücklegen des Fuchsschwanzes als den vernünftigsten Gedanken der Welt erscheinen. Er beschloß vorerst aufs Essen zu verzichten; eine derart vernünftige Entscheidung verdiente es, mit ein oder zwei weiteren Drinks belohnt zu werden.
    Er füllte das Geleeglas abermals, ließ sich auf einem der Küchenstühle mit Stahlrohrbeinen nieder und zündete sich eine Zigarette an. Und während er da saß, trank und Asche in einen der Tiefkühlbehälter fallen ließ, vergaß er den Fuchsschwanz und begann, über Nettie Cobb nachzudenken. Die verrückte Nettie. Er würde der verrückten Nettie einen Streich spielen. Vielleicht nächste Woche oder die Woche darauf – wahrscheinlich aber schon diese Woche. Mr. Gaunt hatte ihm erklärt, er wäre ein Mann, der nicht gern seine Zeit vergeudet, und Hugh war bereit, ihm das zu glauben.
    Er freute sich darauf.
    Es würde die Monotonie unterbrechen.
    Er trank, er rauchte, und als er schließlich um Viertel vor zehn auf den schmutzigen Laken seines schmalen Bettes in dem anderen Zimmer einschlief, tat er es mit einem Lächeln im Gesicht.

3
     
    Wilma Jerzycks Schicht in Hemphill’s Market endete mit dem Ladenschluß um neunzehn Uhr. Um neunzehn Uhr fünfzehn bog sie in die Auffahrt ihres Hauses ein. Gedämpfes Licht fiel durch die zugezogenen Gardinen des Wohnzimmers. Sie ging hinein und schnupperte. Makkaroni und Käse. So weit, so gut.
    Pete lag ohne Schuhe auf der Couch und sah sich Wheels of Fortune an. Auf seinem Schoß lag der Portland Press-Herald.
    »Ich habe deinen Zettel gefunden«, sagte er, setzte sich schnell auf und legte die Zeitung beiseite. »Der Auflauf ist im Ofen. Halb acht ist er fertig.« Er sah sie mit ernsten und leicht ängstlichen braunen Augen an. Wie ein Hund mit dem starken Drang zu gefallen. Pete Jerzyck war schon früh aufs Haus abgerichtet worden und machte sich recht gut. Er hatte seine Rückfälle, aber es war schon lange her, daß sie nach Hause gekommen war und ihn mit Schuhen auf der Couch vorgefunden hatte, und noch länger, daß er gewagt hatte, im Haus seine Pfeife anzuzünden. Es würde ein verschneiter Tag im August sein, an dem er pissen ging, ohne daran zu denken, anschließend den Sitz wieder herunterzuklappen.
    »Hast du die Wäsche hereingeholt?«
    Auf seinem runden, offenen Gesicht

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