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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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bewegte sich in der Dunkelheit und kreiste mit seiner Kraft. Sie drückte ihr Gesicht an seine Brust, und als er sie auf die Couch legte, zog sie ihn an sich – und diesmal mit beiden Händen.

6
     
    Sie verbrachten fast eine Stunde auf der Couch und dann, sie wußte nicht wie lange, unter der Dusche – so lange jedenfalls, bis kein heißes Wasser mehr kam und sie flüchten mußten. Dann nahm sie ihn mit in ihr Bett, wo sie dann zu erschöpft und zu befriedigt dalag, um irgend etwas anderes zu tun, als sich an ihn zu schmiegen.
    Sie hatte damit gerechnet, daß sie heute abend zusammenkommen würden, aber mehr, um ihn von seinen Sorgen abzulenken, als weil es sie nach ihm verlangte. Mit einer solchen Folge von Explosionen hatte sie ganz und gar nicht gerechnet – aber sie war glücklich. Sie spürte, wie sich die Schmerzen in ihren Händen wieder in den Vordergrund drängten, aber heute abend würde sie kein Percodan brauchen, um schlafen zu können.
    »Du bist wunderbar, Alan.«
    »Du aber auch.«
    »Wir sind uns einig«, sagte sie und legte den Kopf an seine Brust. Sie konnte hören, wie sein Herz ganz ruhig schlug, als wollte es sagen, ach weißt du, so etwas gehört einfach zur üblichen Nachtarbeit für mich und meinen Boss. Sie dachte abermals daran, wie schnell er war, wie stark – aber vor allem, wie schnell. Sie kannte ihn, seit Annie angefangen hatte, bei ihr zu arbeiten, sie war seit fünf Monaten seine Geliebte, und dennoch hatte sie bis heute abend nicht gewußt, wie schnell er sich bewegen konnte. Es war wie eine den ganzen Körper umfassende Version der Münzentricks, der Kartentricks und der Schattentiere, über die fast alle Kinder der Stadt Bescheid wußten und um die sie ihn baten, wenn sie ihn sahen. Es war gespenstisch – aber es war auch wunderbar.
    Sie spürte, wie sie in den Schlaf hinüberglitt. Sie wollte ihn fragen, ob er die Nacht über bleiben wollte, und ihn bitten, falls er es wollte, seinen Wagen in die Garage zu fahren – Castle Rock war eine kleine Stadt, in der kaum eine Zunge stillstand -, aber es schien ihr zuviel Mühe. Alan würde sich darum kümmern. Alan, so begann sie zu denken, kümmerte sich um alles.
    »Irgendwelche neuerlichen Ausbrüche von Buster oder Reverend Willie?« fragte sie schläfrig.
    Alan lächelte. »Funkstille an beiden Fronten, zumindest fürs erste. Je weniger ich von Mr. Keeton und Reverend Rose sehe, desto lieber ist es mir, und in dieser Hinsicht war es ein großartiger Tag.«
    »Das ist gut«, murmelte sie.
    »Ja, aber ich weiß etwas, das noch besser ist.«
    »Was?«
    »Norris ist wieder bester Laune. Er hat bei deinem Freund Mr. Gaunt eine Angelrute gekauft, und er redet von nichts anderem, als am Wochenende fischen zu gehen. Ich vermute, er wird sich den Hintern abfrieren – das bißchen Hintern, das er hat -, aber wenn Norris glücklich ist, bin ich es auch. Er hat mir fürchterlich leid getan, als Keeton ihm gestern an die Gurgel ging. Die Leute machen sich über Norris lustig, weil er ein so mageres Kerlchen ist und ein bißchen gedankenlos, aber er hat sich im Laufe der letzten drei Jahre zu einem guten Kleinstadt-Polizisten herausgemausert. Und er ist so feinfühlig wie andere Leute auch. Es ist nicht seine Schuld, daß er aussieht wie ein Halbbruder von Don Knott.«
    »Hmmmmm...«
    Driften. Davondriften in irgendeine süße Dunkelheit, in der es keine Schmerzen gab. Polly ließ sich gehen, und als der Schlaf von ihr Besitz ergriff, lag ein katzenhafter Ausdruck von Zufriedenheit auf ihrem Gesicht.

7
     
    Bei Alan dauerte es länger, bis der Schlaf kam.
    Die innere Stimme war wieder da, aber der Ton falscher Fröhlichkeit war verschwunden. Jetzt klang sie fragend, wehmütig, fast verloren. Wo sind wir, Alan? fragte sie. Ist das nicht das falsche Zimmer? Das falsche Bett? Die falsche Frau? Mir ist, als verstünde ich überhaupt nichts mehr.
    Alan stellte plötzlich fest, daß er für diese Stimme Mitleid empfand. Es war nicht Selbstmitleid, denn die Stimme war seiner eigenen noch nie so unähnlich gewesen wie jetzt. Ihm kam der Gedanke, daß die Stimme ebensowenig sprechen wollte, wie er – der Alan, der in der Gegenwart existierte, der Alan, der für die Zukunft plante – sie hören wollte. Es war die Stimme der Pflicht, die Stimme des Kummers. Und es war noch immer die Stimme des Schuldbewußtseins.
    Vor etwa mehr als zwei Jahren hatte Annie Pangborn Kopfschmerzen bekommen. Sie waren nicht schlimm, das jedenfalls hatte sie gesagt;

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