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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Symptome häufig kamen und gingen. »Bei Stamm-Tumoren ist oft mit Krampfanfällen zu rechnen«, erklärte er Alan. »Vielleicht – wenn sie einen solchen Anfall gehabt hätte...« Und er hatte die Achseln gezuckt. Ja. Vielleicht. Und vielleicht war ein Mann namens Thad Beaumont ein nicht anklagbarer Mitschuldiger am Tod seiner Frau und seines Sohnes, aber auch ihm konnte Alan im Grunde keinerlei Vorwürfe machen.
    Nicht alles, was in einer kleinen Stadt passiert, ist den Einwohnern bekannt, einerlei, wie scharf ihre Ohren sind oder wie eifrig ihre Zungen schwatzen. In Castle Rock wußten die Leute Bescheid über Frank Dodd, den Polizisten, der zu Sheriff Bannermanns Zeiten verrückt geworden war und mehrere Frauen umgebracht hatte; sie wußten Bescheid über Cujo, den Bernhardiner, der draußen an der Town Road Nr. 3 tollwütig geworden war; und sie wußten auch, daß das Haus am See, das Thad Beaumont, Romancier und Berühmtheit des Ortes, gehörte, im Sommer 1989 bis auf die Grundmauern niedergebrannt war – aber sie wußten nichts über die Umstände dieses Brandes und auch nicht, daß Beaumont von einem Mann verfolgt worden war, der in Wirklichkeit gar kein Mann war, sondern ein Geschöpf, für das es vielleicht keinen Namen gibt. Alan wußte über all diese Dinge Bescheid, und sie verfolgten ihn von Zeit zu Zeit noch immer im Schlaf. All das war vorbei, als Alan Annies Kopfschmerzen bewußt zur Kenntnis nahm – aber es war eben doch nicht vorbei gewesen. Durch Thads betrunkene Telefonanrufe hatte Alan, ohne es zu wollen, mitbekommen, wie Thads Ehe zusammenbrach, und wie es mit der geistigen Gesundheit des Mannes ständig abwärts ging. Und da war auch das Problem seiner eigenen geistigen Gesundheit gewesen. Im Wartezimmer irgendeines Arztes hatte Alan über Schwarze Löcher gelesen – große, leere Stellen am Himmel, bei denen es sich offenbar um Strudel von Antimaterie handelte, die gierig alles einsaugen, was in ihre Reichweite gelangt. Im Spätsommner und Herbst des Jahres 1989 war die Beaumont-Geschichte zu Alans persönlichem Schwarzen Loch geworden. Es hatte Tage gegeben, an denen er sich dabei ertappte, daß er selbst die elementarsten Konzepte der Realität anzweifelte und sich fragte, ob irgend etwas von alledem wirklich passiert war. Es hatte Nächte gegeben, in denen er wach lag, bis im Osten die Dämmerung heraufkroch, und sich davor gefürchtet hatte, daß er wieder einschlafen, daß der Traum wiederkommen würde: ein schwarzer Tornado, der auf ihn lospreschte, ein schwarzer Tornado mit einem verwesenden Ungeheuer hinter dem Lenkrad und einem Aufkleber auf der hinteren Stoßstange, auf dem GRANDIOSER HURENSOHN stand. Damals hatte schon der Anblick eines einziges Sperlings, der auf dem Verandageländer saß oder auf dem Rasen herumhüpfte, bewirkt, daß er am liebsten aufgeschrien hätte. Wenn man ihn gefragt hätte, dann hätte Alan gesagt: »Als Annies Probleme anfingen, war ich abgelenkt.« Aber es war keine Sache des Abgelenktseins gewesen; irgendwo tief drinnen in seinem Bewußtsein hatte er einen verzweifelten Kampf geführt, um nicht den Verstand zu verlieren. GRANDIOSER HURENSOHN – wie sich das immer wieder aufdrängte. Wie es ihn verfolgte. Das – und die Sperlinge.
    Er war immer noch abgelenkt gewesen an jenem Tag im März, an dem Annie und Todd in den alten Scout, den sie für Besorgungen innerhalb der Stadt benutzten, eingestiegen und in Richtung Hemphill’s Market davongefahren waren. Alan hatte ihr Verhalten an diesem Morgen wieder und wieder Revue passieren lassen und nichts Ungewöhnliches daran finden können, nichts, was nicht ganz normal gewesen wäre. Er hatte in seinem Arbeitszimmer gesessen, als sie abfuhren. Er hatte aus dem Fenster neben seinem Schreibtisch herausgeschaut und ihnen zum Abschied zugewinkt. Todd hatte das Winken erwidert, bevor er in den Scout eingestiegen war. Es war das letzte Mal, daß er sie lebend sah. Nach drei Meilen auf der Route 117, keine Meile von Hemphill’s Market entfernt, war der Scout mit hoher Geschwindigkeit von der Straße abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Anhand des Wracks war die Staatspolizei zu dem Schluß gelangt, daß Annie, normalerweise eine überaus vorsichtige Fahrerin, mindestens hundertzehn gefahren war. Todd war angeschnallt gewesen. Annie nicht. Sie war vermutlich schon tot gewesen, als sie durch die Windschutzscheibe flog und ein Bein und einen halben Arm zurückließ. Todd war möglicherweise noch am Leben,

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