In einer Person
einzige Sporthalle der Favorite River Academy) war ein
uraltes Backsteingebäude und durch einen unbeheizten überbauten Gang mit der
moderneren, größeren Sporthalle verbunden.
Rund um die alte Halle, über dem Innenbereich, war eine hölzerne
Laufbahn, in den Kurven geneigt. Am Rand der Holzbahn, hinter einem
Eisengeländer, saßen die zuschauenden Schüler, die Arme auf der mittleren
Geländerstange. An diesem besonderen Samstag waren Tom Atkins und ich im
Publikum und sahen auf die Ringer hinab.
Die Matte, der Kampfrichtertisch und die beiden Mannschaftsbänke
nahmen den größten Teil des Hallenbodens ein. An einem Ende der Halle war eine
kleine Tribüne mit gerade mal einem Dutzend Sitzreihen. Die Schüler
betrachteten die Tribünenplätze als angemessene Sitzgelegenheiten für »ältere
Herrschaften« – Lehrkräfte sowie Eltern auf Besuch. Auch einige Einheimische
aus First Sister, die regelmäßig zu den Ringkämpfen kamen, saßen dort. An dem
Tag, als Elaine und ich von der abschüssigen Holzbahn aus [421] Mrs. Kittredge
dabei beobachtet hatten, wie sie ihren Sohn beim Ringen beobachtete, hatten wir
sie keinen Moment aus den Augen gelassen.
Ich dachte gerade an diese erste und einzige Begegnung mit Mrs.
Kittredge, als Tom Atkins und ich plötzlich Miss Frost entdeckten. Sie saß in
der ersten Reihe der Tribüne, dicht an der Ringermatte. (Mrs. Kittredge hatte
in der letzten Reihe gesessen, von den unter Ächzen und Grimassieren
miteinander ringenden Jungs demonstrativ entrückt.)
»Schau nur, wer da ist, Bill – in der ersten Reihe. Siehst du sie?«,
fragte mich Atkins.
»Ich weiß, Tom – ich sehe sie«, sagte ich.
Ich fragte mich, ob Miss Frost regelmäßig die Ringkämpfe besuchte. Falls sie
oft zu den Heimwettkämpfen kam – wie hatten Elaine und ich sie da übersehen
können, groß und breitschultrig, wie sie war? Zumal wenn sie wie jetzt in der
ersten Reihe saß?
Miss Frost schien sich am Rande der Matte, wo sie den Ringern beim
Aufwärmen zusehen konnte, sehr wohl zu fühlen. Ich bezweifelte, dass sie Tom
Atkins und mich bemerkt hatte, denn sie sah nicht zur Laufbahn hoch – nicht mal
während des Aufwärmens.
Weil Delacorte ein Leichtgewicht war, trat er in einem der ersten
Kämpfe an. Wenn Delacorte schon Lears Narr als schleichenden Tod gespielt
hatte, so tat er das an diesem Kampftag auch; es war eine Qual, ihn zu
beobachten. Delacorte gelang es, einen Ringkampf so zu gestalten, dass er einem
schleichenden Tod glich. Das Abkochen forderte seinen Tribut. Er hatte dermaßen
viel Gewicht verloren, dass er nur noch aus schlaffer Haut und vorstehenden [422] Knochen
bestand. Delacorte sah aus, als hungere er sich zu Tode.
Er war deutlich größer als die meisten seiner Gegner; oft lag er in
der ersten Runde nach Punkten vorn, meist führte er auch noch am Ende der
zweiten, wenn er allmählich müde wurde. In der dritten Runde zahlte Delacorte
dann regelmäßig den Preis fürs Abkochen.
Gegen Ende jedes Ringkampfs hatte Delacorte seine liebe Mühe, einen
immer kleiner werdenden Vorsprung zu verteidigen. Er verzögerte, floh von der
Matte; anscheinend lasteten die Hände seines Gegners immer schwerer auf ihm.
Delacorte ließ den Kopf hängen, die Zunge baumelte aus einem Winkel seines
offenen Mundes. Laut Kittredge ging Delacorte in jeder dritten Runde der Sprit
aus; für ihn war ein Ringkampf immer zwei Minuten zu lang.
»Durchhalten, Delacorte!«, schrie einer der zuschauenden Schüler
regelmäßig, und bald stimmten wir alle in sein Flehen ein.
»Durchhalten! Durchhalten! Durchhalten!«
An diesem Punkt in Delacortes Kämpfen schauten Elaine und ich
jeweils immer zum Ringertrainer von Favorite River hinüber – einem zäh
aussehenden alten Knacker mit Blumenkohlohren und schiefer Nase. Fast jeder
nannte Coach Hoyt bei seinem Vornamen, er hieß Herm.
Als Delacorte in der dritten Runde wie gewohnt immer mehr abbaute,
nahm sich Herm Hoyt ein Handtuch vom Stapel an dem Ende der Mannschaftsbank,
das dem Richtertisch am nächsten war. Trainer Hoyt setzte sich immer in
Reichweite der Handtücher, möglichst nahe beim Richtertisch.
[423] Delacorte versuchte, noch ein wenig länger »durchzuhalten«, und
Herm entfaltete das Handtuch. Er hatte wie viele ehemalige Ringer O-Beine, und
wenn er sich von der Mannschaftsbank erhob, sah er kurz so aus, als wolle er
Delacorte mit dem Handtuch erdrosseln. Doch stattdessen legte er es sich über
den eigenen Kopf. Er trug das Handtuch wie eine
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