In einer Person
sich gewünscht hatte.
Zweifellos stieß meine Bewerbung an der Universität von New
Hampshire zu Hause auf Argwohn, denn es kursierte das Gerücht, Miss Frost wolle
ebenfalls nach New Hampshire umziehen. Das wiederum veranlasste Tante Muriel zu
der Bemerkung, sie wünschte, Miss Frost zöge noch viel weiter von Vermont weg
als nur nach New [446] Hampshire – woraufhin ich erwiderte, auch ich hoffe, noch
viel weiter von Vermont wegzuziehen als nur dorthin (was Muriel bestimmt irritierte – schließlich wusste sie, dass ich mich an der
Universität von New Hampshire beworben hatte).
Doch in jenem Frühling wurde das Gerücht von Miss Frosts Umzug nach
New Hampshire nicht bestätigt – auch wohin sie in New
Hampshire ziehen wollte, erfuhr niemand. Tatsächlich hatte meine Bewerbung an
der Universität von New Hampshire nichts mit Miss Frosts zukünftigem Wohnort zu
tun. (Ich hatte mich nur beworben, um meine Familie zu irritieren – ich wollte
dort keinesfalls studieren.)
Ehrlich gesagt, war es – vor allem für Tom Atkins und mich – ein
viel größeres Rätsel, weshalb Kittredge nach Yale ging. Zugegeben, sowohl mein
Notendurchschnitt als auch der von Atkins machten Yale oder jede andere
prestigeträchtige Ivy-League-Universität unerreichbar. Trotzdem hatte Kittredge
schlechtere Abschlussnoten als ich, und wie konnte Yale die Tatsache übersehen,
dass Kittredge die zwölfte Klasse wiederholt hatte? (Tom Atkins hatte zwar sehr
wechselhafte Noten, aber die Schule ohne Ehrenrunde abgeschlossen.) Zwar hatte
Kittredge bei den Uni-Zulassungstests hervorragend abgeschnitten; trotzdem
musste Yale ihn aus anderen Gründen genommen haben, und Atkins und ich wussten
das auch.
Atkins erwähnte Kittredges Ringerkünste, doch ich glaube zu wissen,
was Miss Frost dazu gesagt hätte: Nicht das Ringen hatte Kittredge nach Yale
gebracht. (Wie sich herausstellte, würde er an der Uni ohnehin nicht ringen.) [447] Die
Ergebnisse seiner Zulassungstests waren bestimmt hilfreich gewesen, aber der
wahre Grund, warum Kittredge in Yale aufgenommen wurde, war sein Vater, mit dem
er keinen Kontakt hatte und der Yale-Absolvent war.
»Eins kannst du mir glauben«, sagte ich zu Tom. »Sie haben Kittredge
nicht wegen seiner Deutschkenntnisse in Yale genommen – darauf gebe ich dir Brief und Siegel.«
»Warum interessiert es dich, wo Kittredge studiert, Billy?«, wollte
Mrs. Hadley von mir wissen. (Ich hatte ein Ausspracheproblem mit dem Wort Yale, deshalb kam das Thema zur Sprache.)
»Ich bin nicht neidisch«, sagte ich ihr. »Ich will da bestimmt nicht
hin – ich kann es ja nicht mal aussprechen !«
Es stellte sich als unwichtig heraus, wo Kittredge oder ich
studierten, aber dass man Kittredge in Yale genommen hatte, brachte mich damals
auf die Palme.
»Es geht mir nicht um Gerechtigkeit «,
sagte ich zu Martha Hadley, »aber sollte Leistung nicht auch eine Rolle spielen?« Es war die typische Frage eines
Achtzehnjährigen (auch wenn ich im März 1961 neunzehn geworden war); natürlich
kam ich mit der Zeit darüber hinweg, wo Kittredge studiert hatte. Selbst in
jenem Frühjahr 1961 interessierten sich Tom Atkins und ich mehr für die Planung
unseres Sommers in Europa als für die augenscheinliche Ungerechtigkeit, dass
Kittredge in Yale angenommen worden war.
Ich gebe zu, jetzt, wo ich ihn nur noch selten sah, konnte ich
Kittredge auch leichter vergessen. Entweder brauchte er keine Hilfe mehr in
Deutsch, oder er fragte einfach jemand anderen. Seit Yale ihn angenommen hatte,
machte [448] Kittredge sich keine Sorgen mehr wegen seiner Deutschnote – er musste
nur seinen Abschluss schaffen.
»Darf ich dich an etwas erinnern?«, fragte mich Tom Atkins und
schniefte. »Schon letztes Jahr musste Kittredge nur seinen Abschluss schaffen.«
1961 schaffte Kittredge seinen Abschluss jedenfalls – genau wie wir
anderen alle auch. Ehrlich gesagt, war auch dieser Abschluss eine Enttäuschung.
Nichts passierte, aber was hatten wir auch erwartet! Offenbar hatte Mrs.
Kittredge gar nichts erwartet, denn sie ließ sich bei der Abschlussfeier nicht
blicken. Auch Elaine blieb der Veranstaltung fern, was in ihrem Fall aber
verständlich war.
Warum nur war Mrs. Kittredge noch nicht
einmal zur Abschlussfeier ihres einzigen Kindes gekommen? (»Sie ist nicht
besonders mütterlich, stimmt’s?«, war Kittredges
einziger Kommentar dazu.) Kittredge wirkte nicht überrascht; dass er die
Highschool erfolgreich abgeschlossen hatte, beeindruckte ihn
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